Goldspur

Der Ewigkeit auf der Spur

Archetypen als geistige Ur-Formen und C.G. Jung

Der siegreiche Ritter in Der Eisenhans

By on 9. April 2020

Gebirgskette in Alaska als Drache ("Mutter")

Der Archetyp des “Drachen”

Archetypen als geistige Urformen

Symbolcharakter 

Archetypen sind allgemein anerkannte Vorstellungen, die von mehreren Menschen geteilt werden. Beispiele dafür sind «der Held», «der Vater», «die Jungfrau» aber auch abstrakte Begriffe, wie «Gott», «Ganzheit» oder «der Sinn». Sie transportieren komplexe Inhalte und haben Symbolcharakter, mit welchem sie die Menschen in ihrem Leben beeinflussen können.

Wortbedeutung und Prägung durch C.G. Jung

Die Silbe „arch“ kommt von griechisch arché und bedeutet „Anfang“ oder „Ursprung“. Der Begriff “Archetyp” geht auf C.G. Jung zurück. Er beschreibt Archetypen mit diesen Worten:

Die Archetypen sind numinose Strukturelemente der Psyche und besitzen eine gewisse Selbstständigkeit und spezifische Energie, kraft welcher sie die ihnen passenden Inhalte des Bewusstseins anzuziehen vermögen. […] Das Symbol wirkt suggestiv, überzeugend, und drückt zugleich den Inhalt der Überzeugung aus.[1] [Numinos bedeutet göttlich oder übernatürlich.]

Bedeutung: Archetypen als Ur-Modelle für Wesenszüge

Menschliche Ur-Typen

Es handelt sich bei Archetypen mit anderen Worten also um Ur-Typen oder Ur-Modelle, die zum Menschsein gehören. Diese sind denn auch teilweise schon so alt, wie die Menschheit selbst. So erscheinen Archetypen wie zum Beispiel der JÄGER bereits in den Anfängen der menschlichen Kultur. Immer wieder sahen die Menschen auch TIERE als Symbolträger für bestimmte Charaktereigenschaften, mit denen sie sich identifizierten. (So steht der Löwe für Mut, der Fuchs für Schlauheit, die Eule für Weisheit usw.)

Wesenszüge und Beziehungskonstellationen

Später repräsentierten dann GÖTTER als Archetypen verschiedene Modelle für menschliche Wesenszüge, Handlungsmöglichkeiten und auch Beziehungskonstellationen.

Beispiel: Der Archetyp des Vaters

Die Vorstellung von “Vater” wird einerseits durch den leiblichen Vater geprägt und andererseits auch durch das Vaterbild der Gesellschaft. Je mehr sich jemand aber mit der Vater-Rolle auseinandersetzt, umso mehr kann diese zu seiner ganz eigenen Identität werden. C.G. Jung nannte diesen Prozess Individuation.

Die Jungfrau, linker Arm des Vaters

Archetypen – menschliche Grundvorstellungen oder Ideen

Es handelt sich bei Archetypen um allgemeine Grundvorstellungen, welche die Menschen prägen. So hat zum Beispiel jeder Mensch eine Vorstellung vom Archetyp des Vaters. Denn obwohl das Bild vom VATER häufig von der eigenen Vater-Beziehung mitgeprägt ist, finden sich dennoch auch starke kollektive Ideen und Bilder dazu.

  • Weitere Typen des Männlichen sind zum Beispiel der HELD, der MAGIER oder der ALTE WEISE MANN.
  • Typen des Weiblichen auf der anderen Seite sind die PRINZESSIN, die HEXE oder die JUNGFRAU.
Märchen und Mythen als Schattentheater (Schneewittchen)

Geistige Urformen

Archetypen wirken wie vorgegebene Formen, die mit Leben gefüllt werden. Auch geben sie einer bestimmten Funktion einen tieferen Sinn oder eine höhere Bedeutung, durch welche sie einen prägenden und formenden Einfluss ausüben.

Zur Veranschaulichung: Archetypen als Sandformen

In ihrer Wirkweise als „geistige Ur-Formen“ können Archetypen zur Veranschaulichung mit Sandförmchen verglichen werden. Diese geben einer amorphen Masse von Sand eine bestimmte Gestalt. So wird Sand durch sie zu Sternen, Herzen, Männchen oder Blumen … Ebenso kann das Leben als gestaltungsfähige Grundlage durch Archetypen geformt werden, indem sich der Mensch mit dem HELDEN, dem JÄGER, der JUNGFRAU, dem DRACHEN oder mit CHRISTUS identifiziert.

In vorgefertigte Rollen oder bestimmte Kleider hineinschlüpfen

Der Mensch kann mit seinem Leben in Archetypen wie in vorgefertigte „Formen“ oder Rollen hineinstehen und diese damit zum Leben erwecken. Dann wird er selbst zum MAGIER oder zum edlen RITTER, zur PRINZESSIN oder GÖTTIN.

So prägt das Ideal die Person. Und so wird auch der Mensch häufig zu dem, was er “anbetet”, nämlich indem er die entsprechenden Eigenschaften “anzieht”, zum Bösen wie zum Guten. In diesem Verständnis ermahnt zum Beispiel auch der Apostel Paulus seine Schützlinge: „Zieht den Herrn Jesus CHRISTUS an …[2]“.

Abstrakte Archetypen

Es gibt auch abstrakte Archetypen wie das BEWUSSTSEIN oder die GANZHEIT, der SINN oder das PARADIES, welche dem Menschen eine Ausrichtung geben und sein Leben prägen können.

Die Magie von Archetypen

Personenhafte Archetypen 

Die böse Fee oder Hexe (Maleficent aus Disneys Dornröschen)

Der Mensch gerät durch Identifikation mit archetypischen Figuren „unbewusst“ in ihren „Bannkreis“. Ohne dass er gross darüber nachdenkt, erlebt er vielmehr ihre Energie und gibt ihnen so – mit seinem eigenen Leben – reale Gestalt. Eine Frau, die sich zum Beispiel bewusst oder unbewusst mit dem Archetyp der HEXE identifiziert, gerät in den Einfluss des entsprechenden Energiefeldes.

So stammt der Mensch bildhaft gesprochen tatsächlich von den geistigen oder übernatürlichen Figuren ab, die ihn bestimmen. Oder anders formuliert sind sie “seine Götter“, denn …

Archetypen geben Gestalt und Identität über die Grenzen der Persönlichkeit hinaus.

Hilma af Klint, Taube Nr. 8 (Detail)

Dämonische Kraft von Archetypen?

C.G. Jung bezeichnete personenhafte Archetypen als daimonos, Dämonen.
Dies ergibt insofern einen tieferen Sinn, als Archetypen direkt aus dem Unbewussten über Körper und Handlungen die Kontrolle übernehmen können.

 

C.G. Jung wörtlich:

Die Archetypen nämlich […] offenbaren sich als daimonos, als persönliche agentia [als treibende Kraft]. In dieser Form werden sie zuerst erfahren, nicht erdacht, wie der Rationalismus es haben möchte. Infolgedessen leitet der Mensch seinen Persönlichkeitscharakter erst sekundär gewissermassen, wie der Mythus aussagt, aus der Abstammung von Helden und Göttern her. Das heisst psychologisch: Sein Persönlichkeitsbewusstsein entsteht aus der Einwirkung personenhafter Archetypen. [3]

Macht und Magie aus dem Schatten 

Archetypen können – wie das meiste zwischen Himmel und Erde – jeweils auf positive und auf oder negative Art in Erscheinung treten. Dabei ist das Positive selten ein Problem. Denn was man mag und wertschätzt, das zeigt man gerne und das darf auch am Licht des Lebens sein.

Negativität und Unfreiheit

Als „dämonische“ Faktoren üben Archetypen aber aus dem Schatten mittels negativer Energie Macht über Menschen aus. Es kann unter Umständen so weit gehen, dass eine Person sich wie „besetzt“ oder „fremdgesteuert“ fühlt, unfähig ihren eigenen Willen zu mobilisieren.

Im Bann der Magie

Darum geht von den Archetypen auch immer wieder eine unwiderstehliche, „magische“ Faszination aus, welche die Menschen seit jeher fasziniert. Sie lassen gerne zwischendurch jegliche Kontrolle gehen, um sich dem Rausch der Sinne hinzugeben. Was sie dann erleben, deuten sie als übernatürliche oder “göttliche” Erfahrung. Diese sind jedoch in Wahrheit nichts anders als unbewusste, im Körper verankerte Mechanismen, welche die Regie übernehmen. [S. Magie, die Macht des Unbewussten.]

Die Jungfrau, Symbol für das Potenzial

Archetypen als schicksalsmässige Erlebniskomplexe

C.G. Jung beschrieb aus seiner Tätigkeit als Psychiater Patienten, welche von solchen Archetypen ganz vereinnahmt und „besetzt“ schienen, bis hin zum Identitätsverlust. Dazu führte er aus:

Archetypen sind Erlebniskomplexe, die schicksalsmässig eintreten, und zwar beginnt ihr Wirken in unserem persönlichsten Leben.

Und über den Archetyp der Anima (als “Göttin” und innere Frau des Mannes) im Besonderen:

Die Anima tritt uns nicht mehr als Göttin entgegen, sondern unter Umständen als unser allerpersönlichstes Missverständnis. Wenn zum Beispiel ein alter, hochverdienter Gelehrter eine zwanzigjährige, rothaarige Schauspielerin heiratet, dann – wissen wir – haben sich die Götter wieder ein Opfer geholt. So zeigt sich bei uns dämonische Übergewalt. Bis vor kurzem wäre es noch ein leichtes gewesen, diese junge Person als Hexe abzutun. [5]

Anima als Göttin der Morgenröte für Kaffeewerbung

Bewusstwerdung und der Prozess der Individuation

Überwindung durch Bewusstwerdung

Negative Mechanismen, die aus dem Unbewussten, aus dem Schatten wirken, verlieren ihre „magische“, unwiderstehliche und häufig auch destruktive Kraft, wenn sie ans Licht des Bewusstseins kommen (s. Wie integriere ich konkret meine Schatten?).

Durch Bewusstwerdung wird der Mensch frei, sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. C.G. Jung nennt dies den Prozess der Individuation.

Der Heldenweg zu Königsherrschaft im eigenen Leben

Indem der Mensch seine Motive und unbewussten Strukturen erkennt, die ihn unabhängig von seinem Willen „umtreiben“, kann er lernen, diese zu beeinflussen und sein Verhalten zu verändern. Dies ist sein Heldenweg, auf welchem er alle Bereiche seines Lebens für die Liebe einnimmt. So gelangt er zu Königsherrschaft im eigenen Leben).

Ritter Georg, Rot - Weiss - Schwarz

Werde, der du bist! 

Das Ziel für den Menschen ist, dass er aufhört, fremdbestimmt zu sein und stattdessen seine eigene Persönlichkeit entwickelt. So kann er dem Leben, das ein Geschenk ist, seine ganz eigene Prägung geben. C.G. Jung nannte das den Prozess der Individuation.

Dazu als Abschluss noch diese kleine chassidische Geschichte von Rabbi Sussja:

Vor dem Ende sprach Rabbi Sussja: In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: Sussja, warum bist du nicht Mose gewesen? Man wird mich auch nicht fragen: Warum bist du nicht David gewesen?
In der kommenden Welt wird man mich fragen: Sussja, warum bist du nicht Sussja gewesen?

Nachweise:

[1] C.G. Jung, Gesammelte Werke, Band 5, Symbole der Wandlung, S. 295 § 3445

[2] Bibel, Neues Testament, Brief des Paulus an die Epheser, Kapitel 13,14 (Elberfelder). Man beachte die Symbolik der Verszahlen, von 13 (die Zahl des Egos) zu 14 (7, die Zahl der Schöpfung zu Ganzheit, männlich und weiblich)

[3] C.G. Jung, Gesammelte Werke, Band 5, Symbole der Wandlung, S.  328, §388

[4] C.G. Jung, Gesammelte Werke, Band 5, Symbole der Wandlung, s. 290 f., § 337

[5] C.G. Jung, Gesammelte Werke, Band 9/I, „Die Archetypen und das kollektive Unbewusste“, S. 38 f., §61 (Hervorhebung durch die Autorin)


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