Goldspur

Der Ewigkeit auf der Spur

Martha und die Zähmung des Drachen

Marta und die Zähmung des Drachen

By on 2. Dezember 2020

Marta und die Zähmung des Drachen

Die Zähmung des Drachen durch die heilige Martha (Zeichnung nach dem Gemälde eines unbekannten Künstlers aus dem Jahr 1517 im Martha-Altar der Lorenz-Kirche in Nürnberg [1], Original, s. unten).

Martha und die Zähmung des Drachen

Martha von Bethanien gelang im Jahr 48 die Zähmung des Drachen Tarasque, der das südfranzösische Städtchen Nerluc in Angst und Schrecken versetzte.
Gemäss einer Legende aus dem 12. Jahrhundert sollen die drei Geschwister Maria, Martha und Lazarus von Bethanien vertrieben und mit dem Boot nach Südfrankreich geflüchtet sein, wo Martha ein Kloster gründete.  

Die Legende von der Zähmung des Drachen durch die heilige Martha

Tarasque, der Wasserdrache

In der französischen Stadt Nerluc lebten die Menschen in Angst und Schrecken. Denn im Fluss, im Unterlauf der Rhone, lebte ein riesiger Wasserdrache mit blau schimmernden Schuppen wie aus Stahl. Sein Name war Tarasque. Er richtete viel Zerstörung an, verschlang Vieh, Wanderer und Jungfrauen und zerstörte Land und Höfe der Bauern.

Hoffnungslose Lage für 16 tapfere Helden

Sechzehn der tapfersten Männer des Dorfes hatten sich aufgemacht, um gegen ihn zu kämpfen – ohne Erfolg. Die eine Hälfte wurde vom Drachenfeuer verbrannt, der anderen gelang die Flucht.
Vergeblich hatten die Dorfbewohner auch den König um Hilfe gebeten. Dieser hatte wichtigere Angelegenheiten, um die er sich kümmern musste. Auch die edlen Ritter hatten kein Interesse, dem Dorf zu Hilfe zu kommen.

Die heilige Martha, Martha von Bethanien

Da legte ein kleines Schiff bei Les-Saintes-Maries-de-la-Mer an und eine junge Frau in weissem Kleid stieg an Land. Es war die heilige Martha, die Schwester von Maria und Lazarus. Sie willigte ein, den Bewohnern zu helfen. Martha ging zum Fluss und begann zu singen.

Die Zähmung des Drachen

Von ihrem Gesang angezogen, kam der Drache aus dem Wasser und legte sich vor ihre Füsse. Martha sang weiter, bis er eingeschlafen war. Dann nahm sie ihren Gürtel und legte ihn um den Hals des Drachen. Dieser folgte ihr nun wie ein Hund.

Tötung des Drachen

Doch die Menschen vor Nerluc erschraken, als sie den Drachen an Marthas Seite sahen und bewarfen ihn mit Steinen. Bevor Martha die aufgebrachte Menge aufhalten konnte, sank Tarasque, von einem Stein getroffen, tot zu Boden.

Das Pfingstfest

In Erinnerung an dieses Ereignis wurde die Stadt in Tarascon umbenannt. Jedes Jahr zu Pfingsten feiert die Stadt das Tarasque-Fest.

Zum Ausgang der Legende

Die Tötung des gezähmten Drachen

Es stimmt traurig, dass der Drache, der ja durch Sanftheit gezähmt worden war, dennoch getötet wurde. Warum? – Die Angst hatte die Menschen blind, rasend und ohne Mitleid gemacht.

Martha hingegen hatte den Drachen durch Sanftmut gezähmt. Dies konnte sie, weil sie ihren eigenen inneren Drachen bereits überwunden hatte.

Der Drache und das menschliche Kollektiv

Der verschlingende Drache, der gierig, gewaltbereit und ohne Mitgefühl ist, symbolisiert die ausgewachsene Identität der Macht. Diese ist letztlich die alte Schlange im Menschen, das Ego, das über den Trieb herrscht [2] (s. auch Die Schlange im Kopf – unser altes Reptiliengehirn).

 Zu den einzelnen Archetypen der Legende

Martha von Bethanien

Vom «Stressmonster» zur Dienerin

Von Martha, der Schwester von Maria und Lazarus von Bethanien, berichtet die Bibel, dass sie in ihrem Haushalt ein strenges Regime führte. Als Jesus bei den Geschwistern zu Besuch war, versuchte Matha, ihn gegen ihre Schwester Maria aufzubringen, die ihm zu Füssen sass, indem sie sagte [3]:

Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester mich allein gelassen hat zu dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfe!

Jesus durchbrach das klassische Rollenverständnis und verteidigte Maria, welche die Hausarbeit liegen gelassen hatte, um ihm zuzuhören, indem er Martha sanft zurechtwies:

Martha, Martha! Du bist besorgt und beunruhigt um viele Dinge; eins aber ist nötig. Maria aber hat das gute Teil erwählt, das soll nicht von ihr genommen werden. 

Der Rabbi sagt damit, dass es Dinge gibt, die wichtiger sind als Pflichterfüllung. Das alles Entscheidende ist die Haltung des Herzens: Macht oder Hingabe? Martha lernte ihre Lektion offenbar, denn später, als Jesus wieder bei den Geschwistern zu Gast war, hiess es schlicht [4]:

Sie machten ihm ein Abendessen, und Marta diente.

Zähmung des Drachen: Beruhigung der Emotionen durch Gesang

In der Legende zähmte Martha den Drachen durch Gesang. Tatsächlich können aufgewühlte negative Gefühle wieder besänftigt werden, so zum Beispiel durch Musik und Gesang oder durch die Meditation von positiven Botschaften und Inhalten. (Mehr s. Starke Emotionen und das Unbewusste (Schattenaktivität), Das dritte Auge und der Schatz des Königs und Wie lenke ich mein Leben konkret in eine positive Richtung?.)

Martha-Altar, Nürnberg

Der weibliche Schoss – der Gürtel der Frau als Halsband des Drachen

Martha legte ihren Gürtel um den Hals des Drachen.
Früher war klar: Im Schoss der Frau liegt ihre Kraft. Denn in ihm kann sogar neues Leben – neue Realität! – heranwachsen. Der feuerspeiende Drache hingegen symbolisiert zornige Weiblichkeit in ihrer Kraft. Die Gebärmutter (griechisch hysterix) galt bereits bei den Griechen als Sitz der Hysterie und wurde von ihnen operativ entfernt.

Die Legende macht durch den Gürtel die Verbindung zwischen dem Leib der Heiligen und dem Drachen. In der Abbildung ist zudem das Hinterteil des Drachenschwanzes mit der Schleife der Schürze der Frau verschlungen.

Drachenfeuer – Der brennende Trieb

Die feuerrote Schürze: Der Sexualtrieb und der Schmerztrieb

Das Problem ist aber letztlich der Trieb. Der männliche Körpertrieb und Machttrieb hat das Weibliche unterdrückt und ausbeutet. In Reaktion darauf hat sich der weibliche emotionale Schmerztrieb gebildet, Raserei aus Schmerz und Zorn. Der Trieb wird im Bild aus dem 16. Jahrhundert angedeutet durch Marthas grosse rote Schürze und durch den roten Leibrock des Mannes, der dem verschlingenden Drachen noch aus dem Mund hängt (im Originalbild, rechts). 

Feuer aus dem Rachen des Drachen: Dominanz im seelisch-geistigen Bereich

WASSER ist das Element der weiblichen Seele und des Unbewussten. Reptilien sind dem WASSER und damit dem Weiblichen zuzuordnen. Während die Schlange “nur” auf dem Boden kriecht (ERDE/Körper), kann der Drache fliegen (LUFT/Geist) und FEUER speien. Damit stellt das sagenumwobene Reptil ausgewachsene Negativität dar – in allen vier Bereichen der irdischen Existenz (symbolisiert durch Die vier Elemente). Negative Weiblichkeit bedeutet mit anderen Worten Dominanz und Herrschaft auf der seelisch-geistigen Ebene (“LUFT”), die sich in Verurteilung, Zorn, Gewalt und Rache (“FEUER”) ausdrückt. Sowohl Männer wie Frauen können im Griff dieser archetypischen Energie sein. Der Drache kommt in vielen Überlieferungen vor und war auch das Symboltier des Kaisers von China.

16 = 4 x 4 Männer: Machtlosigkeit in der irdischen Realität

Die Vier ist die Zahl der irdischen Realität: 16 = 4 x 4, also die Vier potenziert. Symbolisch bedeutet dies: Es handelt sich um eine überaus grosse Not, welche der gesamten irdischen Realität zugrunde liegt. Sechzehn der stärksten Männer werden verbrannt oder fliehen, das heisst, dass männliche Potenz und Macht das Problem nicht lösen können. Es braucht eine andere Kraft, eine geistige Kraft, nämlich das Pfingstwunder (s. unten).

Drachenfeuer oder Höllenfeuer: Das grosse Weibliche in der Unterwelt

Der Drache, der im Wasser lauert, symbolisiert das Ur-Thema der Menschheit. Er ist ein Bild für den Umstand, dass das grosse Weibliche, das Leben in der Materie, in Unbewusstheit geraten ist, nämlich in den Griff von Schmerz, Krankheit und Tod.  (S. Der negative Animus als Teufel oder Schmerzkörper und Das Grosse Weibliche in der Unterwelt).
Davon berichten bereits die ersten Mythen. In der sumerischen Überlieferung ist die Göttin der Unterwelt voll von Zorn und Schmerz und bringt jeden um, der in ihre Nähe kommt. In der 2000 Jahre jüngeren Überlieferung des babylonischen Gilgamesh-Epos wird das Weibliche brutal unterdrückt, vergewaltigt und als «Monstrum» von den «Helden» verfolgt und erschlagen.
Dasselbe Schicksal hat den Drachen Tarasque ereilt, ebenso wie viele Frauen, die unterdrückt oder als Hexen verfolgt wurden.

Die Tötung des gezähmten Drachen: Der Angsttrieb und die Projektion des Schattens

Es stimmt traurig, dass die Menschen über den gezähmten Drachen herfallen und ihn töten. Der Angsttrieb ist damit zum «Selbstläufer» geworden und die Empathie versagt.
Die Legende sagt: So ist der unreife Mensch. Er erblickt im Gegenüber sein eigenes inneres Ungeheuer, das er so hasst und deshalb mit aller Vehemenz verfolgt. Damit zeigt die Legende, dass die Leute des Dorfes (die Menschen) ihre Schatten nicht integriert haben, sondern sie nach Aussen auf ein Gegenüber projizieren. Dabei ist für sie unerheblich, ob das, was sie wahrzunehmen meinen, tatsächlich der Realität entspricht oder nicht.
So wurde auch lange das Problem der Menschheit allein auf die Frau als Wurzel allen Übels projiziert. Heute schlägt das Pendel jedoch in die andere Richtung aus.

In der Jahreszahl 48 des Ereignisses kann eine symbolische Aussage gesehen werden: «Das Heil kommt in die Welt». 4 x 12; 4 für die irdische Realität mit den 4 Elementen, welche durch die 12 für paradiesische Ganzheit durchdrungen wird).

Das Pfingstfest: Heilung und Ganzheit

Es ist sehr sinnig, dass das Städtchen an Pfingsten der Legende gedenkt. So wird der Ausweg aus dem Problem gezeigt. Denn an Pfingsten wird das Kommen des Heiligen Geistes auf die Erde gefeiert. Im Heiligen Geist sind die weibliche und die männliche Seite des Geistes vereint: die Liebe, das Wort und die Kraft (s. Die heilige Hochzeit und Von 12 zu 10, die erlöste Schöpfung).

Abschliessende Bemerkung

Auf anschauliche Art thematisiert die Legende menschliche Ur-Themen und weist auf das Ziel hin: Einheit und Ganzheit.

Nachweise:

[1] https://www.nuernberg.museum/projects/show/666-marthaaltar

[2] Offenbarung des Johannes, Bibel, Neues Testament, Off 12,9

[3] Lukasevangelium, Bibel, Neues Testament, Lk 10, 38-41 (sinngemässe Übertragung)

[4] Johannesevangelium, Bibel, Neues Testament, Joh 12,2 (man beachte die Zahl des Verses: 12 für paradiesische Ganzheit und 2 für männlich und weiblich integriert).


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