Die Geschichte von Georg anders erzählt
Drei Jahre
Nach drei Jahren lernte ich Deborah kennen. Debbie war eine wilde, eigenwillige junge Frau, die sich nicht um gesellschaftliche Konventionen kümmerte. Sie war gerade 18, arbeitete in einem Tattoo-Studio und lebte alleine in einem kleinen Zimmer in der Stadtmitte. Ihre Erscheinung war frech, aufmüpfig, zornig und auch von einer gewissen ironischen Abgeklärtheit. Doch unter ihrer rauen Oberfläche spürte ich einen weichen, verletzlichen Kern.
Debbie faszinierte mich. Doch sie verhielt sich mir gegenüber ambivalent, schien zwar meine Gegenwart zu schätzen, wies mich aber immer wieder auch zurück. Das verunsicherte und kränkte mich.
Georgs Kampf mit der Drachenschlange
An einem lauen Frühsommerabend sassen wir zusammen im Park. Wir hatten Diskussionen und Streitgespräche. Schliesslich war ich der Auseinandersetzungen müde und forderte sie direkt heraus:
– Debbie! Sag mal: Was ist eigentlich los mit dir? !
Sie blickte mich überrascht an und es war, als hätte ich mit einer Nadel in einen Ballon gestochen. Die ganze Energie war weg.
Eine Weile schwieg sie betroffen, dann sagte sie trotzig:
– Das willst du gar nicht wissen …
Ich war zunächst sprachlos. Schliesslich wagte ich einen Vorstoss:
– Doch … Ich glaube, ich will es wissen. Willst du es mir erzählen?
Sie wandte sich von mir ab, schlug die Arme um ihre Beine und schwieg.
– Komm schon! Erzähl …, ermutigte ich sie und versuchte, meinen Arm um sie zu legen, aber sie schüttelte ihn ab.
– Ach, lass mich einfach in Ruhe! Ich bin so was von kaputt … Ich bin nicht gut für dich.
– Debbie! Du bist wunderbar!, widersprach ich: Ich meine, du bist cool, hast etwas Besonderes …
Ich fühlte mich hilflos, legte aber meine Hand zurück auf ihre Schulter und sagte:
– Ich möchte es wissen, weil du mir wichtig bist … Mir kannst du es sagen!, insistierte ich.
Angst und Schrecken
– Also gut. Wie du willst!
Sie erzählte mir daraufhin die traurige Geschichte von ihrer Kindheit und Jugend. Ihr Vater hatte ihre Mutter immer mehr geschlagen und auch begonnen, sie, seine Tochter, zu missbrauchen und zu vergewaltigen.
Debbie endete ihre Erzählung mit den aufgewühlten und zornigen Worten:
– Ich hasse ihn!
Ihre Schminke hatte sich mit ihren Tränen vermischt und zog dicke schwarze Striche über ihre Wangen.
Betroffen schwieg ich und merkte, dass auch ich Tränen in den Augen hatte.
Das Einzige, das mir einfiel zu sagen, war:
– Das tut mir leid … Das tut mir so leid um dich …
Die Frau
Sie begann, langsam den Kopf zu schütteln, dann ihren ganzen Körper. Mit einem Ruck stand sie auf, wischte ihr Gesicht und sagte schnell:
– Ach! Das ist vorbei! Schnee von gestern.
Dann lächelte sie mich an und streckte mir ihre Hand hin:
– Ich habe Hunger! Gehen wir eine Pizza essen?
Ich liess mich von ihr hochziehen und wir gingen zum Italiener in der Nähe. Nachdem wir viel gegessen, getrunken und gelacht hatten, zogen wir noch in eine Bar weiter. Als ich sie nach Hause begleitete, fragte sie mich unter der Türe:
– Willst du noch reinkommen?
Das Schwert Galle
Kaum war ich eingetreten, lagen wir uns schon in den Armen. Sie küsste mich stürmisch und klammerte sich an mich wie eine Ertrinkende. Ich hielt sie fest. Berauscht vom Wein und ihrem wunderschönen Körper hatte ich nur einen Wunsch: Ihr nahe zu sein, so nahe wie nur irgend möglich.
Es war mein erstes Mal.
Gute Taten folgen
Debbie und ich wurden ein Paar. Auch meine Eltern schlossen sie sogleich ins Herz. Als Grossmutter im Sterben lag, rief sie mich zu sich. Sie sagte:
– Georg, ich werde dir einen ansehnlichen Betrag hinterlassen. Ich wünsche, dass du einen Teil davon für Debbies Ausbildung einsetzt.
Ich versprach es ihr. Debbie hatte begonnen, ihre Kindheit aufzuarbeiten und wollte Sozialpädagogik studieren.