Erika:
Der Weg des Vaters in die Unterwelt
Zu Beginn unserer Beziehung war Emil anders. Es war unsere erste Liebe. Emil bemühte sich sehr um mich, während ich zögerte. Doch schliesslich gelang es ihm, mein Herz zu gewinnen. Er kniete vor mir nieder, streckte mir einen Ring entgegen und bat mich, ihn zu heiraten.
Später verstand ich, dass sein Vater, Keith, unsere Beziehung sehr unterstützt hatte. Er war ein starker Mann, der mich beeindruckte, und er war anscheinend auch von mir angetan. So drängte er seinen Sohn, sich mit mir in eine verbindliche Beziehung einzulassen.
Neues Leben
Bald wurde unsere Tochter Lilly geboren. Sie war sehr süss und aufgeweckt. Da es nicht lange dauerte, bis auch unsere weiteren vier Kinder hinzukamen, war ich schnell vollauf beschäftigt und bekam nicht immer alles mit, was da so lief. Unverkennbar war, dass Emil Lilly in allem bevorzugte. Er nahm sie überall hin mit, und sie ging gerne mit ihm, weil sie nicht nach den Geschwistern sehen mochte.
Der Wind, Gott der Luft
Lilly wurde ein ausnehmend hübsches Mädchen und Emils Augenstern – ganz Papas Tochter. Er verwöhnte sie, und wenn sie ihren Schmollmund aufsetzt, gab er ihr, was sie wollte. Bald merkte Lilly, dass sie uns Eltern gegeneinander ausspielen konnte.
So wurde sie immer frecher und aufmüpfiger und mit 11 Jahren schminkte sie sich bereits. Auch gefiel mir ihre Art, sich zu kleiden, überhaupt nicht – viel zu anzüglich! Doch Emil bestätigt sie dabei und gab ihr Anerkennung. Mich wertete er jedoch ab, indem er sie mir gegenüber als «die bessere Frau» darstellte. Das war meiner Beziehung zu meiner Tochter nicht gerade zuträglich.
Das entwurzelte Bäumchen
Emil hatte sogar begonnen, Lilly zu Geschäftstreffen mitzunehmen … Ach, ich war so arglos! Ich hätte mich dagegenstellen sollen! Gott weiss, was da alles lief …
Meine Befürchtungen verdichteten sich, als Lillys Beziehung zu Emil sich etwa im Alter von 16 Jahren ins Gegenteil kippte. Sie zog sich zurück – von uns beiden! Mit 17 verliess sie ihr Zuhause, brach jeden Kontakt zu uns ab, um ihr eigenes Leben zu leben. Zufällig sah ich, dass monatliche Zahlungen von Emils Bankkonto an Lilly getätigt wurden. Ich war so wütend auf ihn!
Vom Fluss davongetragen
Grosse Sorgen machte ich mir um meine verlorene Tochter und grämte mich, dass ich nicht besser auf sie aufgepasst hatte.
Doch eines Tages stand Lilly vor unserer Haustür. Sie hielt ein Bündel im Arm und streckte es mir entgegen: Ein Baby! Lilly hatte ein Kind zur Welt gebracht!
– Kannst du darauf aufpassen?», fragte sie mich. «Ich muss arbeiten. Meine Karriere hat gerade so gut begonnen. Ich kann sie nicht aufs Spiel setzen. Du hast doch Zeit – oder?»
Natürlich konnte ich das … Ich hatte ja mein Leben lang nichts anderes getan.
– Sie heisst Anna!