Annas Weg zum Vater
Anna:
Ich hatte wieder einen Traum – oder ein Nachtgesicht:
Gespräch zwischen der Göttin der Liebe (Mutter) und dem Gott der Weisheit (Vater):
Ich war an einem Ort, es war wie Nebel – oder Wasser, Wasserdampf – oder Wolken, und alles erschien in gleissendem Licht, hell und blendend, sodass ich nichts sehen konnte. Aber ich hörte Stimmen. Da war eine Frauenstimme klingend, singend und voll wie rauschendes Wasser und eine tiefe Männerstimme, stark wie Donner. Die weibliche Stimme schwang aufgebracht wie in hohen Wogen und sagte:
– Ich muss mit dir sprechen! Dein Sohn hat mit meiner Tochter geschlafen. Er hat sie entjungfert!
Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. Wie das Grollen eines Donners rollte sie von weit her heran und ertönte:
– Ja, es ist mir zu Ohren gekommen … Ich hatte ihm die Anweisung gegeben, sie gut und respektvoll, als Seinesgleichen zu behandeln… doch die Sache ist aus dem Ruder gelaufen …
***
Inanna – Königin der Erde und initiierte Frau
Mein Unbewusstes meldet sich mal wieder zu Wort. Die Sache mit Gil beschäftigt mich ja auch nach wie vor. Nachdem er mit mir geschlafen hatte, habe einfach nichts mehr von ihm gehört! So ein Schuft!!!
Wie weiter? Der Weg zum Vater
Also setzte ich mein Vorhaben um und nahm mit meinem Onkel, Mamas Bruder Enrico, Kontakt auf. Ohne zu zögern, lud er mich ausserhalb seiner Arbeitszeit nach Feierabend zu einem Imbiss zu sich nach Hause ein.
Der Vater
Enrico empfing mich herzlich. Er ist ein Mann, der Energie und Tatkraft ausstrahlt. Er ist wirklich sehr attraktiv, mit angegrauten Schläfen, einem warmen Lächeln und wachen und liebevollen Augen. Als er mich in sein Wohnzimmer führte, standen bereits ein paar Snacks auf dem Tisch, eine Karaffe mit Wasser und auch eine Flasche Wein:
– Was kann ich dir zu trinken anbieten?, wollte er wissen. Als ich zögerte, schenkte er mir Wasser ein und fügt hinzu: Vielleicht auch ein Schlückchen Wein?
Ich nickte nur, denn ich fühlte mich etwas angespannt.
Fürstliche Bewirtung
Enrico lächelte ermutigend. Ich ass ein paar Bissen und trank etwas Wein, während er sich nach meiner Familie und dem Stand meiner Ausbildung erkundigt hatte. Als ich mich etwas entspannt hatte, legte er seine Hände gefaltet auf den Tisch, holte tief Luft und wollte wissen:
– Nun, was führt dich zu mir? Wie läuft’s so zuhause …? „
– Na ja, so der übliche Zoff mit einem Teenager, schätze ich, aber ganz ok, antwortete ich und grinste. Dann fügte ich zögernd hinzu: Das ist nicht mein Hauptproblem, weshalb ich zu dir komme …
Enrico blickte mich erwartungsvoll an:
– Soso … Was ist denn dein Hauptproblem?
Ich erzählte Enrico von meiner Begegnung mit Gil:
– Ich traf ihn am Familienfest wieder und verliebte mich total in ihn …
Einen Augenblick lang fiel es mir schwer, weiterzusprechen. Enrico blickte mich aufmerksam an. Ich senkte meinen Blick, brachte keinen Ton heraus und schaute ihn hilflos an.
Was ist geschehen?
Er lehnte sich zurück und fragte mit einem leichten Lächeln in den Mundwinkeln geradeheraus, als wollte er mir ein paar Snacks anbieten:
– Und …? Seid ihr euch nähergekommen?
– Ja. Wir trafen uns ein paar Mal und dann lud er mich zu sich nach Hause ein. Er hatte es wunderbar vorbereitet, gekocht, servierte Getränke …
– Verstehe …, sagte Enrico und blickte mich noch immer liebevoll an.
Da spürte ich plötzlich einen Kloss im Hals und konnte nicht mehr weitersprechen.
Enrico wartet eine Weile, dann fragte er sanft.
– Und …? Habt ihr miteinander geschlafen?
Da konnte ich mich nicht mehr beherrschen und brach, ohne dass ich es wollte, in Tränen aus:
– Ja!, schluchzte ich. – Und nun will er nichts mehr von mir wissen …! – Ich bin so dumm … Ich bin selber schuld! Hätte ich doch auf meine Bruder Udo gehört. Er wollte nicht, dass ich mich mit Gil treffe! Er warnte mich …
Der Sukkal des Vaters
Enricos Blick war in die Ferne geschweift und sehr ernst geworden. Er schien plötzlich ganz in sich selbst versunken zu sein:
– Gil …, sagte er und seine Stimme klang nachdenklich, ja irgendwie tief grollend, als er weitersprach, mehr zu sich selbst: Mein Patenjunge ist gross geworden … Und sein momentaner Lebensstil gefällt mir nicht!
Dann stand er auf, holte Taschentücher, setzt sich neben mich und legte väterlich seinen Arm um meine Schultern. Ich konnte und wollte mich nicht mehr beherrschen, sondern lehnte mich gegen seine Brust und heulte mein ganzes Weh aus meinem Körper.
Enrico stricht sanft über meinen Oberarm und wartete, bis ich mich etwas beruhigt hatte. Dann sagte er:
– Willst du mir mehr davon erzählen? Hm????
Das wollte ich.