Diskussion zwischen der Mutter und dem Vater im Himmel
Die Göttin der Liebe und der Gott der Weisheit
– Mutter: Dein Sohn ist offensichtlich noch nicht bereit, sich zu binden. Nun ist meine Tochter überaus frustriert.
– Vater: Sie ist auch meine Tochter…
– Mutter: Ja. Du hast sie deinem Sohn zugeführt…
– Vater: Und du hast in den beiden das Verlangen nach Liebe geweckt. Sie hat ihn verführt…
– Mutter: Ja…, aber soo war das nicht gemeint…!
– Vater: Du weißt es genau: Die Schönheit junger Frauen kann Männern den Verstand rauben! Die beiden – Sohn und Tochter – trübten ihre Sinne durch einen doppelten Rausch: Einerseits hatten sie zu viel Alkohol getrunken, andererseits war da die berauschende Ausstrahlung deiner Tochter, welche auf Liebe oder Erotik hinzielte, nenn es, wie du willst. Du weißt, dass bei jungen Männern die Liebe über die körperliche Ebene angefacht wird. So haben wir – und ich sage: wir beide! – die Kontrolle über Sohn und Tochter verloren – weil du so gut gespielt hast!
(Die Mutter, Göttin der Liebe lächelt).
– Vater: Es ist kein Spass! Nun macht deine Tochter mir bittere Vorwürfe…
– Mutter: Ich habe meinen Teil gut gemacht, ich habe Liebe gesucht, aber dein Sohn hat über die Stränge gehauen, er hat sie wie eine Hure behandelt…!
– Vater: Deine Tochter hat die falschen Signale gesendet und ihn dazu gebracht, vorschnell meine Weisheit zu verschleudern…
– Mutter: Sie hat es gut gemeint, sie hat Liebe gesucht! Sie ist doch noch so jung und unerfahren…
– Vater: – Genau das ist es, was die Männer am meisten anzieht…! Es mobilisiert ihren Jagdinstinkt, das weißt du! – Liebe, Geduld, Enthaltsamkeit müssen sie erst lernen.
– Mutter: Das stimmt… – Was machen wir denn nun?
– Vater: Ich habe einen Plan. Er ist bereits angelaufen…
***
Anna beim Vater:
Der Rausch:
Nachdem ich meine Tränen getrocknet hatte, erzählte ich Enrico, wie alles gekommen war:
– Gil hatte mich zu sich nach Hause eingeladen. Er hatte himmlisch für uns gekocht. Zuerst servierte er mir zum Apero Prosecco, dann zum Essen Wein und danach mixte er mir noch verschiedenen Drinks, liess schöne Musik laufen. Seine Wohnung ist der Hammer, das Licht war schummrig, wir sassen auf dem Sofa. Er kam näher… Wir hatten wohl beide etwas zu viel getrunken…, und dann… ging es plötzlich so schnell…
Ich schnäuzte meine Nase und blickte hoch, als ich ihm sagte:
– Es war mein erstes Mal…!“
Das Himmelsboot
Enrico holte tief Luft, doch er schwieg. Ich fühlte mich elend.
Schliesslich sagte er:
– Und dann?
– Dann brachte Gil mich nach Hause. Am nächsten Tag wollte er schon nichts mehr wissen, tat als sei nichts geschehen… und dann sah ich ihn mit einer Anderen. Als ich ihn stellte, meinte er, eine feste Beziehung sei bei ihm nicht angesagt…
Enrico hatte seine Stirn in Falten gelegt. Schliesslich wandte er sich zu mir und blickte mir tief in die Augen:
– Gut, ich will schauen, ob ich etwas machen kann…, sagte er.
Alarmiert fragte ich:
– Du wirst aber nicht mit ihm darüber sprechen, ich meine, dass ich zu dir gekommen bin??? Das wäre mir nicht recht…
– Mal sehen, was sich tun lässt, sagte Enrico nachdenklich, dann blickte er mich durchdringend an, indem er fortfuhr:
– Ich werde nichts sagen von Dir – unter einer Bedingung…!
Ich nickte erwartungsvoll. Er blickte mich streng an:
– Hör jetzt gut zu! Es ist wichtig, dass du dich genau so verhältst, wie ich es dir sage!
Ich schluckte leer und hielt nur mit Mühe seinem Blick stand:
– Ok…! sagte ich und war auch schon wieder ein Bisschen neugierig.
Die Kräfte der Weisheit
Sein Blick war nun weicher, fast liebevoll, als er weitersprach:
– Es ist gut, dass du zu mir gekommen bist. Vielleicht kann ich etwas tun… – Aber was dich betrifft: Du unternimmst jetzt gar nichts mit Gil, meldest dich nicht, kein Telefon, kein SMS, nichts, hörst du?
Ich nickte. Er fuhr fort:
– Wenn er wieder bei dir anklopfen sollte, dann lass ihn nicht ran, es sei denn, du bist ganz sicher, dass er es wirklich ernst meint! Er blickte mich durchdringend an.
– Ok, alles klar… sagte ich und schluckte nochmals.
Seltsamerweise spürte ich neue Hoffnung in mir aufkeimen. Ich atmete tief durch und liess meine Stimme so fest klingen, wie ich konnte:
– Verstanden! Versprochen! bestätigte ich und machte den Versuch eines Lächelns.
– Gut!, sagte Enrico.
Er nickte und blickte gedankenverloren vor sich hin, bevor er sich mir wieder zuwandte und sagte:
– Nun etwas Erfreulicheres: – Ich habe gehört, dass du die Designer-Schule mit Auszeichnung bestanden hast…, meinte er wohlwollend.
Ich nickte und strahlte. Er fuhr warm und wohlwollend fort:
– Und? – Hast du schon eine Idee, wo es hingehen soll?
Nun schlug mein Herz höher:
– Ja! Ich habe eine Idee… ich würde gerne ein eigenes Unternehmen gründen, sagte ich und merkte, wie meine Begeisterung mich noch mehr zum Strahlen brachte.
Enrico nickte bestätigend:
– Das interessiert mich, sagte er. – Komm mal mit deinem Konzept vorbei und zeige es mir. Vielleicht kann ich dir eine finanzielle Starthilfe geben…
– Wirklich? Ich meine… würdest du das wirklich für mich tun??? Das wäre der Hammer!!!
Getröstet, glücklich und voller Hoffnung ging ich nach Hause.