Goldspur

Der Ewigkeit auf der Spur

Die Anima – Motivation und Inspiration, Hure oder Heilige

Die Anima und das Reich der Träume

By on 14. Januar 2021

Die Anima und das Reich der Träume

Als die weibliche Seite des Geistes steht die Anima für Magie, Liebe und hohe Ideale.

Die Anima, weiblicher Geist und Antrieb der Seele

Die Anima als die weibliche Seite des Geistes verfügt über eine starke Anziehungskraft, welche inspirierend und motivierend wirkt. Sie bewegt die Seele dazu, hohe Ideale anzustreben wie die Liebe und das ewige Leben. Auf der einen Seite, kann sie aber auch zu Konsum, Reichtum und Macht verführen.

Inspiration, Motiv und Motivation: Göttin und Archetyp

In den Überlieferungen ist die Anima eine überaus zentrale Figur, die in unterschiedlichster Gestalt erscheint. Als «Göttin» und der weibliche Geist ist sie ein Archetyp für das Idealbild von Weiblichkeit und stellt in dieser Funktion auch den Antrieb der Seele dar. So ist SIE die Motivation und das Ziel des Helden und bewegt ihn durch ihre starke Ausstrahlung dazu, seine ganze Existenz in die Waagschale zu werfen und dabei buchstäblich über sich hinauszuwachsen (s. z. B. Ritter Georgs Kampf gegen die Drachenschlange

Goethe formulierte in seinem Faust:

Das ewig Weibliche zieht uns hinan. [1]

(Faust begegnete dem „ewig Weiblichen“ in der schönen Helena, die gemäss der griechischen Sage die Ursache für den trojanischen Krieg war.)

C.G. Jung schrieb:

Mit dem Archetypus der Anima betreten wir das Reich der Götter beziehungsweise das Gebiet, das sich die Metaphysik reserviert hat. Alles, was die Anima berührt, wird numinos, das heisst unbedingt, gefährlich tabuiert, magisch. Sie ist die Schlange im Paradies des harmlosen Menschen voll guter Vorsätze und Absichten. [2]

Kontext: Animus und Anima in Gegenüberstellung

Antrieb des Körper und der Seele

C.G. Jung hat die Begriffe Animus und Anima geprägt. Diese beiden ARCHETYPEN, stellen den männlichen und den weiblichen Geist dar, welche die Menschen als lebendige Materie je auf unterschiedliche Weise bewegen. In ihrer positiven Gestalt wirken sie durch die Kraft der Liebe, in ihrer negativen ziehen sie jedoch alles in eine destruktive Dynamik hinein: Feuer und Eis.

FEUER UND WASSER (LUFT/EIS)

Die Anima – der weibliche Geist, Motivation zu Hingabe (Liebe, Erkenntnis)

Als Luftgeist stellt die Anima die weibliche Seite des Geistes dar. Sie hat das Vermögen, Leben aus der Gebundenheit an die Materie zu heben und es in den Bereich des Geistes und der Ideale zu ziehen. In ihrer negativen Form bringt sie jedoch das Leben durch abgehobene Ideale oder in einer virtuellen Welt zum Erstarren, wobei die Kälte immer mehr zunimmt (s. Die EIS-Dynamik). Als die innere Frau des Mannes lockt die Anima zu Liebe oder Lust.

Der Animus, der männliche Geist, Lebenskraft in der Materie und im Körper

Der Animus als Feuergeist stellt auf der anderen Seite die männliche Seite des Geistes dar. Er ist die Lebenskraft in der Materie, aktive physische und impulsgebende Energie, welche bewegt, sei es durch feurige Leidenschaft für das Gute auf der einen Seite oder durch feurige Schmerzen oder Leiden auf der anderen Seite (Schmerzkörper). Als der innere Mann der Frau symbolisiert der Animus ihren Körperantrieb und ihre Kraft (s. Der Animus).

In ihrer negativen Gestalt starten Anima und Animus je einen eigenen «Teufelskreis», weisse und schwarze Magie, Feuer und Eis; im kollektiven Kontext die Hure und das Tier genannt.

Anima und Animus für die beiden Bäume im Paradies

Die beiden geistigen Kräfte entsprechen dem Baum der Erkenntnis (Anima) beziehungsweise dem „Baum des Lebens“ (Animus) in einem „paradiesischen Garten“ der Ganzheit von «zwölf Bäumen».

[S. Die Ganzheit der Zwölf und Die beiden Bäume im Paradies.]

Positive oder negative Gestalt der Anima

Jungfrau oder Hure /Hexe oder Heilige?

Macht (Erkenntnis) oder Liebe als Motiv

Die motivierende Kraft der Anima kann aus einer reinen oder einer vergifteten Quelle stammen, die wiederum auf die beiden Ur-Motive zurückzuführen ist: Liebe oder Angst, welche zu Macht führt. Im letzteren Fall wirkt die Anima aus dem Schatten, dem Unbewussten und kann eine Falles stellen oder in den Abgrund reissen. [S. dazu das Gedicht von Goethe: Der Fischer.]

Der Goldbrunnen (in "Der Eisenhans")

Die positive Anima als Jungfrau

Reine geistige Liebe

Die Anima ist die Muse, welche Helden motiviert und Künstler inspiriert, sie ist das hohe Ziel, das Ideal, für welches es sich lohnt sich hinzugeben, ja lohnt zu sterben.

  • Als JUNGFRAU hat sie das, was dem starken Helden noch fehlt: jene sanfte, reine und selbstlose Liebe, welche grosse, wunderwirkende Kräfte hat.
  • Als HEILIGE strahlt die Anima übernatürliche Vollkommenheit und Ganzheit aus. Durch ihre Ausstrahlung reiner Liebe vermag sie den Helden aus seiner Verhaftung an das Körperliche und die Materie zu (er)lösen und ihn in den Bereich des Geistes zu ziehen. So erweckt sie seine Seele zu ewigem Leben und beflügelt ihn zur Hingabe an das Grössere.

Die negative Anima als Hexe, Hure oder Schlange

Macht durch Verführung und Verblendung 

In ihrer negativen Gestalt als HURE verführt die Anima durch das falsche Licht der Erkenntnis. Sie lockt durch Erotik oder Parolen und überhöhte Ideale, verblendet durch Illusionen und zieht dadurch alles auf eine virtuelle und leblose Ebene. Ein Beispiel für eine derartige kalte, leblose Starre findet sich im Märchen Die Schneekönigin von H.C. Andersen.

Als Schlange verführt sie zu listigem strategischem Verhalten, mit dem Ziel, egoistische Interessen durchzusetzen (s. Der Sündenfall-Bericht der Bibel und das Geheimnis der Schlange). Oder sie lähmt durch die Illusion der Angst zu völliger Reglosigkeit und Ohnmacht.

[S. Die negative Anima als HURE oder SCHLANGE.]

Inannas oder Liliths Baum

Archetypische Anima-Figuren in Überlieferungen

Die Anima als geistiger Antrieb und Motiv spielt in Überlieferungen immer eine wichtige Rolle.

Mythen und Märchen beschreiben die Anima durch unterschiedliche Archetypen:

  • Negativ: Die dunkle Jungfrau, die Hexe, die Stiefmutter, die böse Königin, die Schneekönigin, die böse Fee, die Schlange, der Drache, die Spinne
  • Positiv: Die Göttin der Liebe, die Jungfrau, die Mutter als Königin der Erde oder gute Königin, die alte weise Frau, die gute Fee, die Prinzessin, die Königstochter
  • Ambivalent: Die Herrscherin der Unterwelt, die Schicksalsgottheit, die Schlange, das Orakel

Verschiedene Archetypen für die Anima

Die Anima kann unterschiedliche Gestalt annehmen. Dabei entspricht sie den verschiedensten Archetypen welche wiederum die vielfältigen Erscheinungsformen der Göttin und des Weiblichen darstellen (dazu s. Weibliche Ganzheit – die Göttin, Weiss / Rot / Schwarz):

Die Anima als Jungfrau, Prinzessin und ihr Königreich

So erscheint sie als helle oder dunkle Jungfrau, als Göttin der Liebe oder Königing der Nacht, wie Lilith. Neckisch und verspielt berührt sie als Prinzessin das Herz des jungen Mannes (wie in Der Eisenhans oder Aladdin und die Wunderlampe). Oder sie verführt dazu, sämtliche Weisheit und Vorsicht zu vergessen. Die Jungfrau beflügelt in der Erzählung den edlen Ritter Georg ein Leben lang zu guten Taten und führt ihn so zu Ganzheit.
Die Jungfrau-Prinzessin ist denn auch das hohe Ziel des Helden, denn mit der Hochzeit gewinnt er auch ein ganzes Königreich. Dieses steht für Königsherrschaft im eigenen Leben.
Als innere Frau verbindet die Anima den Mann mit seinen weiblichen Persönlichkeitsanteilen, also mit seiner Seele (seinen Gefühlen) und mit dem Geist (hingebungsvoller Liebe). So erlangt er Ganzheit und das ewige Leben (symbolisiert durch Gold; s. Die heilige Hochzeit und Alchemie – Gold für die Ewigkeit).

Schlangenzunge als der üble Berater des Königs

In negativer Gestalt tritt die Anima jedoch zum Beispiel als «Schlangenzunge» auf. Der intriganter Berater blockiert und lähmt «König Bewusstsein» durch Angst und Lügen und setzt ihn durch Intrigen ausser Gefecht. (S. Das dritte Auge und der Schatz des Königs.)

Zornige Weiblichkeit und die innere Frau als Drache oder rasender Stier

Wird Weiblichkeit nicht integriert, kann sie als ausgewachsene Negativität in der Gestalt eines rasenden Stiers wüten oder als Drache oder zu Gier und Gewalt verleiten. Auch der rasende Himmelsstier spielt bereits im Gilgamesh-Epos eine Rolle, weiter in Mythen (wie der griechische Minotaurus) oder auch in Märchen und Erzählungen wie «Das letzte Einhorn» (s. Der Stier als weibliches Symbol und der Stierkult).

Positive Weiblichkeit und Geborgenheit im Schoss von Mutter Natur

Aber auch starke, weise Weiblichkeit hat in den Überlieferungen ihren Platz, wenn auch häufig in verborgener Form. So ist es die alte, weise Frau, die dem Helden oder der Heldin den Weg weist (wie in Georg, dem Drachentöter oder in der Schneekönigin). Weiter erscheint sie als gute Fee (in Aschenputtel) oder Frau Holle, welche die treue Tochter belohnt.
Auf der andern Seite erscheint starke Weiblichkeit auch als Orakel oder Sphinx, welche männliche Vorherrschaft aushebelt, indem sie in Rätseln spricht. So kann nur jener Held,  der aufrichtigen Herzens ist, ihre Botschaft verstehen. Denn die grosse Mutter ist Schicksalsgottheit und Herrin über Leben und Tod.
Gegen Letztere kämpft denn auch der egoistische Herrscher vergebens an und scheitert. Doch der wahre Held als der suchende Wanderer findet nicht zuletzt in der Grandiosität der Natur eine neue Geborgenheit und lebendige Fülle, wie sie dem Schoss der grossen Mutter-Gottheit entspricht.

Weiss - Rot - Schwarz, Kay Nielsen, 3 Schwestern

Die Anima als innere Frau des Mannes

Seele, Beziehungsfähigkeit und das innere Frauenbild

Die Anima als innere Frau und Seele des Mannes steht für seinen Beziehungsaspekt, über welchen er insbesondere auch mit Frauen in Kontakt tritt.
Diese innere Vorstellung von Weiblichkeit ist zunächst durch die Mutter geprägt, dann weiter durch Erfahrungen mit anderen Frauen und nicht zuletzt auch durch gesellschaftliche Vorstellungen und Ideale. Es handelt sich dabei um einen geistigen Faktor, welcher die Art des Mannes, Frauen zu begegnen, auf entscheidende Weise bestimmt.

Jungfrau oder Hure/Schlange?

In ihrer positiven Form als JUNGFRAU bewegt die Anima den Mann zu Hingabe an die Beziehung, die Familie oder auch den Beruf / die Berufung.

[S. Die Anima als die innere Frau des Mannes.]

In ihrer negativen Gestalt als HURE verführt sie ihn zu Lust, Macht und Konsum. Als «SCHLANGE» verleitet sie ihn dazu, seine Umgebung und insbesondere auch die Frau durch «listiges» und strategisch-intrigantes Verhalten zu manipulieren, um sein Ziel zu erreichen und sein Begehren vorwärtszutreiben.

[S. Die negative Anima und der Mann ohne Seele.]

Anima, innere Frau des Mannes (aus Vidoclip zu Robbie Williams' Song "Angels")

Die Integration der Anima 

Schwäche und die heilige Wunde

Existenzielle Prüfungen: die Feuerprobe

Spätestens in der Krise der mittleren Jahre ist es aber an der Zeit, den Geist zu integrieren, den männlichen wie auch den weiblichen. Denn auf diese Weise erlangt der Mensch Ganzheit. Dies ist eine anspruchsvolle Aufgabe, welche an die Existenz geht und die letzte Prüfung auf dem Heldenweg, die Feuerprobe, darstellt.

[S. Die Integration von Anima und Animus.]

Auf dem Weg der Machtlosigkeit zu Ganzheit

Die Integration der Anima bedeutet die Integration von Schwäche. Dazu schrieb der geistliche Lehrer und Franziskanerpartner Richard Rohr:

Weibliches Verhalten war mit einem so strengen Tabu belegt, dass es den Männern unmöglich war, die weibliche Dimension in sich selbst zu entdecken und zu entwickeln. [3]

Corona-Christus Schatten

Das kollektive Leiden und Erlösung

Die ganze Schöpfung in der Unterwelt (Leiden und Tod)

Die Integration der Anima ist auch im kollektiven Kontext ein wichtiges Thema. So erzählen schon die ersten Überlieferungen, dass das grosse Weibliche, das Leben selbst, in die Unterwelt geraten ist. Dies ist ein Bild dafür, dass die ganze irdische Existenz, die Schöpfung in Negativität, Krankheit und Tod ausgeliefert ist.

[S. Das Grosse Weibliche, das Leben selbst, in der Unterwelt.]

Vereinigung des Vater-Gottes mit dem leidenden Weiblichen

Für ein kollektives Problem braucht es eine kollektive Lösung. Also muss das höhere Bewusstsein und damit Gott selbst sich dessen annehmen. Aus Liebe und Mitfühlen identifiziert er sich mit dem Leiden des Weiblichen (auch der Menschen als Kollektiv). Darum geht er in der Kraft seines «Sohnes» (Potenz) ins Innerste der Existenz, in die der Unterwelt ein, geht darin auf, löst sich auf. Und so sät er im Sterben der Kraft den Samen des Wortes von der Liebe des Vaters und initiiert so eine neue Schöpfung.

[S. Das Weibliche in der Unterwelt und kollektive Erlösung; Christus / Messias, der Gesalbte und Männlich und weiblich und die Erschaffung neuer Realität.]

Nachweise:

[1] Goethe, Faust II, V. 12110 f.

[2] C.G. Jung, Gesammelte Werke, Band 9/I, „Die Archetypen und das kollektive Unbewusste“, S. 37, § 59

[3] Rohr, Richard (2009). Vom wilden Mann zum Weisen Mann (2. Auflage). München: Claudius, S. 27

[4] Bly, Robert (2011). Eisenhans. Ein Buch über Männer (7. Auflage). Kindler Verlag GmbH, München, S. 274


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