4. Der Gott der Luft, Enlil: die Erde davongetragen …
Nicht nur «die Himmel» (die Jungfrau), nein, sondern auch «die Erde» (für die Mutter / den weiblichen Körper) ist davongetragen worden. Aber diesmal von EnLil, dem Gott der Luft.
Die rote Phase, der Gott der Luft oder Satan
Die Luft ist das Element der männlichen Seele (s. Die vier Elemente). Der Name EnLil setzt sich aus «En» für Gott und «Lil» für Luft zusammen. Der Gott der Luft symbolisiert stürmisch-invasive jugendliche Macho-Männlichkeit. Diese sucht Macht und möchte auch im Bereich des Geistes herrschen.
EnLil gehört zur roten Phase des Mannes, welcher noch nicht zur Weisheit des Vaters (weiss) gelangt ist (s. Die drei Farben und Der Weg des Mannes und Die Integration der Anima).
Die Frau im Griff dieser Kraft
Dieselbe «rote» Energie kann aber auch von der reiferen Frau Besitz ergreifen!
Als Mutter ebenfalls in der roten Phase ist sie in Versuchung, Macht zu leben. Häufig setzt sie dabei (aus Frustration) Verführung, List oder auch Gewalt ein. In den Überlieferungen wird sie dann als «Hexe» bezeichnet (s. Die Integration des Animus und Der Weg der Frau.)
Gemäss dem Gilgamesh-Epos war es EnLil, der aus Zorn die grosse Flut bewirkte.
Der Gott des Kampfes und des Krieges
In der ägyptischen Mythologie ist diese jugendliche, stürmische männliche Energie durch den Gott SETH symbolisiert (von ihm kommt das Wort «Satan»). Er wurde häufig im Zusammenhang mit Kämpfen und Eroberungen verehrt.
[S. auch Der Gott der Luft .]
EnLil als Idol und Gott Babylons
Die babylonische Überlieferung erzählt, dass der grosse Vater, An, durch eine Revolte im Götterhimmel getötet wurde und dass EnLil-Marduk[5] seinen Platz einnahm.
(In Babylon wurden zudem die starken weiblichen Gottheiten immer mehr durch männliche Götter oder Monster ersetzt, wie im Gilgamesh-Epos zum Ausdruck kommt.)
Gilgamesh und die Verehrung EnLils
Der jugendliche Gilgamesh betete EnLil an. Das Epos erzählt verschlüsselt, dass er Zedern fällte, insbesondere die eine hohe Zeder, aus welcher er eine Tür im Tempel des Enlil machte. Dies ist ein Bild dafür, dass er die höchste Jungfrau, Tochter des Königs und Dienerin der Göttin der Liebe entjungfert und so zur «Hure» gemacht hatte. So wurde er König, doch er war ein rücksichtsloser Despot, unter dessen Herrschaft junge Männer fielen und Jungfrauen systematisch vergewaltigt wurden (durch das «Recht der ersten Nacht»).
[S. Gilgamesh, Königgott und Despot von Uruk und Einführung ins babylonische Gilgamesh-Epos.)
Die «davongetragene Erde» in Negativität
Der Geist EnLils, des Gottes der Luft, ist also dafür verantwortlich, dass das Weibliche immer wieder unterdrückt worden ist. Mit anderen Worten werden Frauen, Menschen als Kollektiv und überhaupt die Erde mit ihren Ressourcen durch männliches Machtstreben ausgebeutet.
Die Folge davon ist Negativität aus Mangel, Schmerz, Krankheit und Tod. Solange diese nicht aufgearbeitet werden, sondern ins Unbewusste verdrängt sind, hat ihre negative Kraft Macht über den Menschen (s. Der negative Animus als Teufel oder Schmerzkörper). Sie bricht dann plötzlich aus dem Schatten hervor und überflutet die Existenz mit destruktiver Energie wie ein Vulkan-Ausbruch (s. Vulkane, der Schicksalsberg und die grosse Mutter).
Heilung und Erlösung
Diese verborgene Negativität und Unbewusstheit werden in den Überlieferungen durch die Unterwelt symbolisiert (s. Das Grosse Weibliche in der Unterwelt .)
Damit Heilung geschehen kann, müssen Leiden, Schmerz und Zorn ans Licht des liebenden (Vater-) Bewusstseins kommen. Auch dies ist bereits in der sumerischen Mythologie ein Thema (in Der Vater wagte den Weg in die Unterwelt und Inannas Auferweckung durch den Vater).