Goldspur

Der Ewigkeit auf der Spur

Inanna und die Herrin der Unterwelt: Verurteilung (Episode 13)

Inanna in der Unterwelt (Ereshkigal)

By on 17. Oktober 2023

Inanna in der Unterwelt (Ereshkigal)

Inanna in der Unterwelt vor der zornigen Herrscherin (Bildbeschreibung am Ende des Beitrags)

Inanna und die Herrin der Unterwelt 

Der Zorn der Herrin der Unterwelt

Episode 13, Übersicht: Begegnung mit dem Fluch

Inanna und die Herrin der Unterwelt begegnen sich mit ungleichen Vorzeichen. Als Inanna nackt und tief gebeugt im Thronsaal erscheit, schlagen ihr mörderischer Zorn und Verurteilung entgegen.

Die Zahl dieser Episode, die Nummer 13, passt zu diesem Abschnitt. Denn nun begegnet Inanna der zornigen Herrscherin der Unterwelt und dem Fluch (der auch mit der 13. Fee im Märchen Dornröschen ein Thema ist).

Kontext von Inanna und die Herrin der Unterwelt (was bisher geschah)

Aus den letzten beiden Episoden hatte sich das Folgende ergeben:

  • Inanna hatte sich aus eigenem Antrieb in die Unterwelt begeben, weil sie ihr Ohr für die Unterwelt geöffnet hatte, also etwas wahrgenommen hatte. Inanna ist als Göttin eine selbstwirksame Frau und der Weg in die Unterwelt führt zur Ganzheit (Göttlichkeit) der Frau (s. Weibliche Ganzheit – die Göttin, Weiss / Rot / Schwarz).
  • Der „offizielle“ Grund dafür war, dass sie an den Begräbnisfeierlichkeiten des gestorbenen Gatten der Herrscherin der Unterwelt teilnehmen wollte. Der Weg in den Körper und in die Materie gehört zum Weg der Frau und zum Weg der Liebe (Heldenweg). Hier wird die Kraft im Körper und das Leben (der Geist) in der Materie integriert (s. Der weibliche Weg / der Weg der Frau in die Materie).

Einführung zu Inanna und die Herrin der Unterwelt

Der Schatten der Frau: Beziehungskonflikte und weibliche Schwäche

Die Begegnung mit dem Schatten ist das Thema von Inanna in der Unterwelt. Als Frau begegnet Inanna einerseits ihren eigenen Schatten, zu welchem persönliche Umstände und Eigenschaften sowie ungelöste Beziehungskonflikte gehören.
Da sie Teil einer Familie ist, wird sie auch mit dem familiären Schatten wie dem Schicksal ihrer Grossmutter konfrontiert.

Der kollektive Schatten: Unterdrückung und Ausbeutung

Und darüber hinaus, weil Inanna die Göttin der Liebe ist, hat sie sich zudem mit dem kollektiven Schatten der Menschen auseinanderzusetzen. Dieser wurzelt in Unterdrückung und Ausbeutung des Weiblichen und wird auch “Fluch” oder “Erbsünde” genannt.

Zum grossen Weiblichen als Kollektiv gehören: die Frauen, das Volk, die Erde ...

Das kollektive Weibliche als “Göttin”

Als «weiblich» im Sinn von empfangender und lebendige Realität gebärender Materie sind zu bezeichnen:

  • Frauen: Sie können Samen aufnehmen und neues Leben gebären.
  • Der menschliche Körper: Er nimmt Impulse des Bewusstseins („männlich“) auf und setzt sie in Worte, Taten und neue Realität um.
  • Das Kollektiv (Gruppe, Volk, die ganze Menschheit): Es reagiert auf Impulse (zum Beispiel in Form von Informationen wie Nachrichten) mit Stimmungen und Handlungen. Es nimmt auch die Instruktionen des Herrschers auf und gestaltet daraus neue Realität (führt Weisungen aus, wie zum Beispiel den Bau von Strassen).
  • Die Erde: Sie nimmt Samen auf und lässt wachsen. Zudem reagiert sie ebenfalls auf unterschiedlichste Impulse (“Geist”), zum Beispiel aus dem Kosmos (wie Sonnenaktivität) oder auf menschliches Verhalten mit globalen Erscheinungen wie Klimaerwärmung oder Vulkanismus und Abkühlung. (Dabei bedeutet der “Kosmos” in den Überlieferungen mehr als das Universum. Ihm wird das Element des Feuers zugeschrieben und darum auch göttlich-geistige und initiierende Kraft, s. Die vier Elemente, Bedeutung.)
  • Die ganze Schöpfung: Sie ist der Vergänglichkeit preisgegeben und damit in der „Unterwelt“ (s. Das Grosse Weibliche in der Unterwelt).

 [S. Weibliche Ganzheit, lebendige Materie – Potenzial, Realität und Schicksal.]

Das Weibliche kann als lebendige Materie Impulse des Bewusstseins («Samen») aufnehmen und neue Realität gebären und gehört darum per Definition zum Unbewussten (s. Das Bewusstsein und das Unbewusste und Männlich und weiblich, die beiden Ur-Kräfte der Schöpfung.)

Die Göttin symbolisiert als das grosse Weibliche in der Unterwelt auch die unterdrückte Menschheit und die ausgebeutete Schöpfung.
Diese sind in den Dynamiken der Macht geknechtet und gefangen und brauchen Erlösung durch Liebe.

Heilung am Licht des liebenden Bewusstseins

All diese schwierigen Umstände müssen ans Licht des Bewusstseins kommen, damit sie heilen können. Die Integration des Schattens geschieht auf dem Weg durch die Unterwelt..

Grundlagen für diese Episode:

Der Weg durch die Unterwelt; Der Schatten und Die Integration des Schattens

Inanna und die Herrin der im Originaltext *

Verurteilung von Inanna in der Unterwelt

Nackt und tief gebeugt betrat Inanna den Thronsaal.
Ereshkigal erhob sich von ihrem Thron.
Inanna bewegte sich auf sie zu.
Die Annuna, Richter der Unterwelt, umringten sie.
Sie sprachen das Urteil über sie.

Das Auge des Todes: Hinrichtung

Ereshkigal heftete das Auge des Todes auf Inanna,
Sprach das Wort des Zorns gegen sie aus,
Schrie in Schuldzuweisung gegen sie.

Sie schlug sie.

Aufgehängt an einem Nagel

Inanna wurde zum Leichnam,
Zu einem Stück faulenden Fleisches
Und an einen Nagel an der Wand gehängt.

Oh weh, jetzt wird es ganz dunkel um die Göttin der Liebe. Was hat das alles zu bedeuten?

Ausführungen und Deutungen zu Inanna und die Herrin der Unterwelt,

Diese Fragen werden im Folgenden betrachtet:

  1. Was ist die Unterwelt?
  2. Wer ist die Herrin der Unterwelt?
  3. Wer sind die Annuna, Richter der Unterwelt?
  4. Was ist das Auge des Todes?

1. Was ist die Unterwelt? – Unbewusstheit

Die Unterwelt ist der Bereich des Körpers und der Materie und gehört zum Unbewussten. Hier bergen sich auch die Triebe und das Ego. Zu den Trieben wiederum gehören einerseits die Körpertriebe (“männlich”) und andererseits die negativen emotionalen Triebe (“weiblich”), allem voran Schmerz und Zorn.

[S. Das Bewusstsein und das Unbewusste, Das Ego; Der Trieb, Der negative Animus als Teufel oder Schmerzkörper.]

2. Wer ist die Herrin der Unterwelt? – Das Leben

Das Leben im Unbewussten

Die Herrscherin der Unterwelt ist das personifizierte Leben in der Materie dar, die grosse Mutter. Ihr Bereich ist das Unbewusste und die Materie im Gegensatz zum grossen Vater, dessen Bereich der Geist und das liebende Bewusstsein ist.

Der Weg des Lebens

Die Aufgabe des Menschen ist, von Unbewusstheit zu Bewusstsein zu erwachen. Doch dann führt der Weg des göttlich-geistigen Bewusstseins, das die Liebe erkannt hat, wieder hinab ins Unbewusste, um die Schatten zu integrieren und auf diese Weise Ganzheit und das ewige Leben zu erlangen.
So wird sich auch die Herrin der Unterwelt im Verlauf der sumerischen Mythologie von Unbewusstheit, also Negativität aus Schmerz und Zorn, zur Mutter des Lebens wandeln.

Die Grosse Mutter, Göttin im dritten Aspekt

Die Herrscherin der Unterwelt symbolisiert die Göttin in ihrem dritten Aspekt, welche ihre männlichen Anteile integriert und somit die Kraft in der Materie hat. Damit stellt sie die Schicksalsgottheit und die Kraft in der Materie in Gestalt der Naturgewalten dar.

[S. Weibliche Ganzheit 3-in-1: Potenzial, Realität und Schicksal.]

Die Herrin der Unterwelt: Kraft und Vollmacht

Ereshkigal symbolisiert als Herrin der Unterwelt die Göttin in ihrem dritten Aspekt, die Grosse Mutter (s. Weibliche Ganzheit 3-in-1: Jungfrau, Mutter und Grosse Mutter). Inanna, die einst als Göttin des Himmels Jungfrau war und dann als initiierte Frau zur Königin der Erde wurde, steht nun davor, diesen dritten Aspekt weiblicher Ganzheit einzunehmen und selbst zur grossen Mutter zu werden. Dabei wird sie ihren Körper und ihre Kraft wiedergewinnen. Diese Kraft wohnt zwar jetzt schon in ihr, sie muss aber lernen, sie konstruktiv zu nutzen. Dazu muss sie ihre Schatten (Schwäche) und auch ihre männlichen Anteile integrieren, wodurch sie Kraft und Vollmacht gewinnt.

Die Grosse Mutter und Herrscherin der Unterwelt hat Kraft, denn sie hat ihre männlichen Anteile integriert. Dies ist das Ziel von Inannas Abstieg in die Unterwelt.

[S. Der weibliche Weg/der Weg der Frau in den Körper und die Materie.]

Schicksalsgottheit und das Gesetz von Ursache und Wirkung (Karma)

Die grosse Mutter und Herrin der Unterwelt als Schicksalsgottheit und Herrin über Leben und Tod ist streng und beurteilt jeden Menschen aufgrund seiner Taten. Tatsächlich wird, wer üble Taten vollbracht hat, wahrgenommen und erhält die Quittung in Form von Lebensumständen und Schicksal. Es handelt sich dabei um ein geistiges Gesetz von Ursache und Wirkung, auch „Karma“ genannt.

Dies bedeutet, dass der Mensch auch die Auswirkungen seines Handelns tragen und dafür Verantwortung übernehmen muss. Der Mensch – geworfen in die irdische Existenz – macht Fehler. Die Fehler manifestieren sich in der Materie, im grossen Weiblichen, als negative Konsequenzen, aus welchen man aber lernen kann.

Grundsätzlich gilt: Negativität gebiert mehr Negativität. Liebe gebiert Leben. So sagt das Gesetz der Liebe, dass der Mensch Fehler machen darf. Ja, er ist auf der Welt, um zu lernen. Dies ist die Weisheit des Vaters und der Vergebung.

Inannas Grossmutter und ihre tragische Geschichte

Ereshkigal und das kollektive Schicksal der Frauen

Gemäss Götter-Genogramm von Kramer-Wolkenstein ist Ereshkigal Inannas Grossmutter [1]. In der Begegnung mit ihrer Grossmutter wird Inanna mit dem eigenen Schicksal und dem kollektiven Schicksal der Frauen konfrontiert: Schmerz, Unterdrückung und Ausbeutung.

Von der Göttin des Himmels zur Herrin der Unterwelt

Die Herrscherin der Unterwelt hat eine tragische Geschichte. Einst war sie Göttin des Himmels, des Äthers, NinLil. Doch ihr Gatte, EnLil, der Gott der Luft, behandelte sie schlecht. Als ihn die Götter zur Strafe in die Unterwelt schicken wollten, folgte sie ihm dahin. Doch EnLil als Macho-Gott wurde von den Menschen weiterhin angebetet und konnte darum in den Götterhimmel zurückkehren. So blieb NinLil alleine in der Unterwelt zurück. Daraufhin erhielt sie von den Göttern diese als ihren Herrschaftsbereich.

Ihre Geschichte handelt von Schmerz und Zorn und Enttäuschung, die zum Sterben der Liebe und tiefer Unbewusstheit, nämlich abgrundtiefer Negativität führten (symbolisiert durch die Unterwelt). Dies ist nicht nur das Schicksal der Göttin, sondern auch der gesamten Schöpfung, welche ebenfalls durch die Göttin als der lebendigen Materie symbolisiert wird.

[S. “Ich bin EreshKiGal, Herrin der Unterwelt” und Das Grosse Weibliche, das Leben selbst, in der Unterwelt.]

So begegnet Inanna in der Unterwelt auch ihrer Grossmutter EreshKiGal. Dabei wird sie mit dem Schicksal der Frauen konfrontiert, mit dem Schmerz und der Ausbeutung des Weiblichen sowie mit ihren eigenen Verletzungen. Ihre Aufgabe ist es nun, Schwäche zu integrieren und sich so zu versöhnen. Dabei hilft ihr die Liebe des Vaters.

[S. S. Episode 15: Inannas Auferweckung durch den VaterDie Integration des Schattens und Die Integration des Animus.]

Aggressive und gewalttätige Weiblichkeit (der negative Animus als Teufel)

Weiblichkeit im Griff von negativer Männlichkeit (rot)

Weiblichkeit in der roten Phase (als Mutter) ist mit Schmerz (Menstruation, Geburten) und Zorn behaftet (Frustration über mangelnde Liebe der Männer). Sie ist darum unbewusst im Griff negativer männlicher Macho-Energie (auch rot), welche sie aus dem Schatten mit machtorientiertem, aggressiven und gewalttätigem Verhalten überschwemmt (s. Der Weg der Frau und Der negative Animus als Teufel oder Schmerzkörper).

Integration des inneren Mannes (Animus, Vater)

In diesem Stadium ist jedoch Inannas persönliche Entwicklung noch nicht abgeschlossen. Vielmehr ist sie gerade erst auf dem Weg zur Grossen Mutter (um selber Grosse Mutter, Grossmutter zu werden) und muss dazu ihre männlichen Anteile noch integrieren. Darum ist es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich als erstes mit aggressiver Macho-Männlichkeit (seitens der Göttin der Unterwelt) auseinanderzusetzen hat, die ihr mit brutaler Gewalt entgegenschlägt. (Dies nach dem Prinzip der Spiegelung oder Projektion: Man nimmt im Andern wahr, was man in sich selbst nicht sehen will.)
Die rasende Wut der reiferen Frau wurzelt jedoch in der verdrängten und geleugneten Erfahrung von Schmerz und Schwäche.

[S. Der Schmerzkörper der Frau; Die Integration des inneren Mannes (Animus).]

Das Ziel von Inanna in der Unterwelt: Ganzheit (Göttin) durch Integration des Geistes

Das Ziel von Inanna in der Unterwelt ist die Integration der Schatten, insbesondere des Geistes. Hierzu gehören Zorn und Aggressionen (negative Männlichkeit, Trieb und Antrieb) und Schmerz und Schwäche (negative Weiblichkeit, Motivation). Dabei werden männlich (Vater) und weiblich (Mutter) zu einem Verschmelzen (s. Ruach, Geist Gottes – männlich und weiblich) und Inanna selbst wird zur Grossen Mutter (Grossmutter).

[S. Die Integration des Animus und Die Integration der Anima.]

3. Wer sind die Annuna, Richter der Unterwelt? – Anklage

Die Annuna symbolisieren Selbstanklage, Anklage und Schuldzuweisungen und Verurteilung. Hierzu gehört der die Projektion des Schattens auf Andere: Jemand (anderer) muss Schuld sein! Diese “Geister” stellen destruktive Gedanken dar.

Anklage und Verurteilung, Selbstanklage und Scham

Inanna in der Unterwelt kommt nun zu Bewusstsein, was bisher verdrängt war. Dazu gehört alles, was als „unwürdig“ und „schändlich“ verurteilt wurde, das Gefühl von Scham über die eigene Schwäche, Unzulänglichkeit, Versagen, aber auch Schmerz und bodenlose Wut. Angesichts dieses Elends möchte man am liebsten gleich im Boden versinken! Ja, dies alles trifft nun die Frau in ihrem Selbstbild und im Kern ihrer Identität und bringt sie buchstäblich um.

Wortbedeutung AnnuNa: die vom Himmel in die Unterwelt geraten sind

Bedeutung aus den Silben

Die Silbe Anu ist die Mehrzahl von An (Himmel) und kann mit «die im Himmel sind» oder vom Himmel kamen» übersetzt werden. Denn die Silbe NA in Umkehr von AN steht für «vom Himmel hinab». Dieser Weg führt folgerichtig bis in die Unterwelt. Dies entspricht Inannas Namen und auch ihrem Weg (NIN = Göttin; AN = Himmel; NA = Unterwelt: Die Göttin, die vom Himmel in die Unterwelt hinabstieg). Sie ist damit die dreifache Göttin, nämlich als Göttin des Himmels (weiss; NinAnNA oder NinLil), Königin der Erde (rot; NinSchubUr); Herrin der Unterwelt (schwarz NIN-GAL oder EreshKiGal)

[S. Weibliche Ganzheit 3-in-1: Potenzial, Realität und Schicksal.]

Der Weg in die Unterwelt: der Weg jeder Frau

Der Weg in die Unterwelt ist auch der Weg jeder Frau. Denn die Frau, die im Bereich des Geistes und damit in Beziehungen und der Liebe zu Hause ist, nimmt auf ihrem Weg in die Unterwelt auch ihren Körper und die Materie ein («männlich»).

[S. Der weibliche Weg / der Weg der Frau in die Materie.]

Lebendige Tote

Auch viele Menschen sind in Negativität gefangen und damit bildhaft gesprochen in der Unterwelt. Sie sind auch (geistig) “tot”. Denn statt ihr eigenes Leben zu leben, reagieren sie bloss auf das, was das Leben ihnen bringt, und sind zudem voller Empörung auf Umstände, mit denen sie – auch in sich selber – noch nicht versöhnt sind.

Das Kollektiv in der Unterwelt, in Negativität, Krankheit und Tod

Schliesslich lässt sich sagen, dass die ganze Schöpfung Vergänglichkeit, Leiden und dem Tod preisgegeben und darum in der Unterwelt (nämlich der Herrschaft der Materie unterworfen) ist.

Gibt es eine Rückkehr aus Tod und Negativität?

Es gibt sie – in der Kraft des liebenden Vaters (s. Fortsetzung).

Garbatis Medusa mit dem tödlichen Blick

4. Was ist das Auge des Todes? Gestorbene Liebe!

Das Auge des Todes ist der Ausdruck von gestorbener Liebe und Negativität. Es ist ein Blick, der abgrundtiefe Trauer, Verzweiflung bis hin zu Hass beinhaltet (oben: Medusa, Skulptur von Luciano Garbati).

Das grosse Weibliche in Negativität: Zorn und Schmerz

Bereits die ersten Überlieferungen thematisieren, dass das Weibliche aufgrund fehlender Liebe in Unterdrückung und Ausbeutung, Schmerz und Zorn geraten ist. Diese führen zu tiefer Unbewusstheit aufgrund von Negativität, welche durch die Unterwelt symbolisiert ist (s. Das Grosse Weibliche, das Leben selbst, in der Unterwelt).

Dabei gilt es festzuhalten, dass zum Weiblichen die Frauen, die Menschen als Kollektiv und die ganze Erde gehören. Auf Unterdrückung und Gewalt reagiert es mit Aufregung, Angst, Empörung und Auflehnung – und mit Naturkatastrophen!

Zum grossen Weiblichen als lebendige Materie gehören: die Frauen, das Volk, die Erde ...

Das kollektive Weibliche als “Göttin”

Als «weiblich» im Sinn von empfangender und lebendige Realität gebärender Materie sind zu bezeichnen:

  • Frauen: Sie können Samen aufnehmen und neues Leben gebären.
  • Der menschliche Körper: Er nimmt Impulse des Bewusstseins („männlich“) auf und setzt sie in Worte, Taten und neue Realität um.
  • Das Kollektiv (Gruppe, Volk, die ganze Menschheit): Es reagiert auf Impulse (zum Beispiel in Form von Informationen wie Nachrichten) mit Stimmungen und Handlungen. Es nimmt auch die Instruktionen des Herrschers auf und gestaltet daraus neue Realität (führt Weisungen aus, wie zum Beispiel den Bau von Strassen).
  • Die Erde: Sie nimmt Samen auf und lässt wachsen. Zudem reagiert sie ebenfalls auf unterschiedlichste Impulse (“Geist”), zum Beispiel aus dem Kosmos (wie Sonnenaktivität) oder auf menschliches Verhalten mit globalen Erscheinungen wie Klimaerwärmung oder Vulkanismus und Abkühlung. (Dabei bedeutet der “Kosmos” in den Überlieferungen mehr als das Universum. Ihm wird das Element des Feuers zugeschrieben und darum auch göttlich-geistige und initiierende Kraft, s. Die vier Elemente, Bedeutung.)
  • Die ganze Schöpfung: Sie ist der Vergänglichkeit preisgegeben und damit in der „Unterwelt“ (s. Das Grosse Weibliche in der Unterwelt).

 [S. Weibliche Ganzheit, lebendige Materie – Potenzial, Realität und Schicksal.]

Das Weibliche kann als lebendige Materie Impulse des Bewusstseins («Samen») aufnehmen und neue Realität gebären und gehört darum per Definition zum Unbewussten (s. Das Bewusstsein und das Unbewusste und Männlich und weiblich, die beiden Ur-Kräfte der Schöpfung.)

Die Göttin symbolisiert als das grosse Weibliche in der Unterwelt auch die unterdrückte Menschheit und die ausgebeutete Schöpfung. Diese sind in den Dynamiken der Macht geknechtet und gefangen und brauchen Erlösung durch Liebe.

Die Erbsünde, der Fluch und die 13

Fehlt die Liebe, gewinnen Gewalt und Unterdrückung Raum. Dabei führt die Erkenntnis des „Schrecklichen“ und Ungeliebten zu weiteren negativen Gefühlen wie Hass und Ablehnung. Die AnnuNa stellen diese negativen und verurteilenden Kräfte dar, von denen das grosse Weibliche und damit letztlich die ganze Schöpfung ergriffen ist. Sie ist aufgrund von Missbrauch und der Ausbeutung in Negativität, und die Liebe ist gestorben. Als Fluch oder Erbsünde ist dies ein Thema, das sich in verschiedener Gestalt durch die Überlieferungen zieht und sich auch in den bekannten Märchen Schneewittchen und Dornröschen und die 13. Fee findet.

[S. Fluch und Erlösung in Überlieferungen und Die Zwölf (paradiesische Ganzheit) und die Dreizehn (das Ego).]

Negativität tötet die Liebe! –
Das ist die Botschaft dieser Episode von Inanna in der Unterwelt.

Fazit: gestorbene Liebe und das Leben in der Unterwelt

Tiefe Unbewusstheit aus Mangel an Liebe und ein Teufelskreis der Gewalt

Negativität bedeutet tiefe Unbewusstheit, aus welcher üble Taten entstehen können wie Gewalt, Mord, Terror und Kriege. Diese führen wiederum zu mehr Leiden und Negativität, sprich Unbewusstheit – ein wahrer Teufelskreis (s. Schwarze Magie und Der negative Animus als Teufel oder Schmerzkörper).
Durch den Mangel an Liebe ist die grosse Göttin, das Leben selber und damit die ganze Existenz in Negativität, also in die Unterwelt, geraten. Wo Negativität regiert, ist die Liebe gestorben.
Stattdessen herrscht da der Tod, und was einst war, ist dem Zerfall preisgegeben.

Tod bedeutet «Nicht-Leben».

Erlösung in der Kraft der Liebe

Aus diesem Grund führt der Weg der Liebe immer hinab in die Niederungen der Existenz, wo Negativität, Schmerz und Tod herrschen, um diese zu transformieren und so zu erlösen.

[S. Der Weg durch die Unterwelt.]

Inanna und die Herrin der Unterwelt anders erzählt (als moderne Geschichte)

Anna:

Heute Nacht hatte ich einen Traum:

Eine Frau stieg eine mächtige Steintreppe hinab. Unten war es dunkel, doch dann öffnete sich ein Tor, nur ein halber Meter hoch. Die Frau kroch auf allen vieren hindurch. Dahinter lag ein grosser Saal.

Meine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit.
Und ich merkte, dass ich nackt war.

Inanna und die Herrin der Unterwelt

Vor mir wieder die Frau. Sie näherte sich dem Thron: „Grossmutter …?“

Da erhob sich eine dunkle Gestalt – mit Augen wie Feuerflammen und einer Stimme wie ein tosender Wasserfall:

Was
willst
du
hier?!

Hast wohl gedacht, du könnest einfach hier herein spazieren, und alles würde dir zu Füssen liegen, wie oben? Dummes, eitles Ding! Hier gibt es nichts zu nehmen für dich. Du hast die Rechnung ohne mich gemacht, meine Teure. ICH lasse mich von solcher Eitelkeit nicht blenden …! – Ha! Ist nicht mehr viel von dir übrig, nachdem du deinen äusserlichen Tand und Firlefanz abgegeben hast!

Stille.

Die Annuna, Richter der Unterwelt

Doch dann ein Flüstern, das zu einem Raunen wurde und das – immer lauter – von allen Seiten ertönte:

Du hast dir das alles selber eingebrockt!

Nichts, gar nichts von dem, was du hast, hast du dir selber verdient.
NICHTS hast du vorzuweisen!

Du bist nichts und hast nichts! Hast du geblendet, verführt und dir genommen, was du wolltest … Wegen Frauen wie dir sieht es auf der Welt so aus, wie es aussieht! Wegen Frauen wie dir fehlt es an der Liebe!

Du warst nicht die Partnerin, die zum Licht des Lebens führt …!

Ohne Liebe hast du kein Leben!

Du hast dein Leben nicht gelebt, du warst und du bist tot!

Du denkst, du seist das unschuldige Opfer? Nicht doch …! Du hast Macht gelebt … und erwartest … als Lohn …
Liebe?!? – Ein Hohn!

Du hast nicht gelebt, hast keine Liebe gelebt,… warst tot! 

Das Auge des Todes der Herrin der Unterwelt

Feuerflammen schossen aus den Augen der Gestalt. Feuer überall, Flammen tanzten auf der Wand … Da sah ich Mord, Totschlag, Krieg und Frauen in die Sklaverei verkauft, geschunden, vergewaltigt, geschlagen, getötet, Dramen und Tränen

Aufgehängt am Holz, an einem Nagel

Und meine Grossmutter … an einem Baum gefesselt …

Dann wurde es dunkel. Und still. Totenstill.

In fahlem Licht wurde ein Leichnam an einem Nagel gehängt.

*****

Ich erwachte schweissgebadet, und mein Puls raste.
– Meine Güte, was hat das alles zu bedeuten??? Werde ich wahnsinnig? Ich muss mit jemandem sprechen …! Ich brauche Hilfe!

Nina oder mit Enrico … oder beide …

Im grösseren Kontext:

Die Göttin der Liebe ist ihrer eigenen, bis anhin verdrängten Negativität begegnet. Integriert sie diese, so wird sie zur Grossen Mutter, welche Kraft und Vollmacht hat.
Mit der Göttin der Unterwelt hat sie Ganzheit erreicht. Das ist das Ziel:

DIE HERRSCHERIN DER UNTERWELT:

Ich bin die grosse Mutter, das Leben selbst.
Leben und Schicksal der Menschen sind in meiner Hand.

Inanna in der Unterwelt

Meine Tochter Anna hat begonnen hinzuhören … auf die verborgenen Stimmen,  ihre eigenen – und andere …

Sie ist auf dem Weg zu mir.
Mutig stellt sie sich ihren eigenen Schatten, auch wenn es hart ist für sie. Auch wenn es sie alles kostet, ihre Liebe und ihr Leben.

Es ist das innere Leben, das zählt!

Die Frauen sind die Trägerinnen der Liebe, sie tragen meine Liebe in die Welt!
Sie müssen vorangehen auf dem Weg. Denn es war seit allem Anfang die Aufgabe der Frauen, in der Welt die Liebe freizusetzen.

So ist die Frau die Quelle der Liebe und des Lebens!

Das Auge des Todes

Die Menschen fürchten sich vor mir. Sie fürchten meine Macht und Kraft. Manche hassen mich.

Gewiss, ich bin streng, denn ich prüfe die innersten Motive. So haben Stolz und Egoismus, weltlicher Glanz und Macht vor mir keinen Bestand. Sie gehen auf wie Stroh in Feuerflammen. Vielmehr wird jeder nach seinen Werken beurteilt.

Die Menschen haben aus der Liebe ein Machtinstrument gemacht und belügen sich selber.

Aber ICH bin ausserhalb ihres Machtbereiches und das ist gut so.
Ebenfalls gut ist, dass die Zeit des Menschen und damit seine Möglichkeit, Schaden anzurichten, beschränkt ist.

So prüfe ich die Menschen und gebe ihnen, was sie verdient haben. Dabei werden sie im Feuerofen des Lebens auf der Erde geläutert. Denn auf diese Weise wird das Gold ihrer unsterblichen Seele gewonnen.

Aufgehängt an einem Nagel

In der irdischen Realität ist das Leben dem Tod ausgeliefert.
Die Menschheit versinkt darüber in kurzfristiges Machtbegehren, in Bitterkeit und Negativität, statt aus dem, was ist, das Beste zu machen.

Aber frage nicht nach dem, was der Mensch tut, sondern nach dem, was er ist.
Ich frage nicht nach äusseren Dingen, sondern nach der Wahrheit.

So prüfe ich, was vom Menschen übrig bleibt, wenn Äusserlichkeiten, Rang und Namen und alles, was er sich aufgehäuft hat, nicht mehr sind. – Was hat der Mensch vorzuweisen? Hat er Liebe vorzuweisen?

Kann er mir etwas – irgendetwas aufzeigen, das nicht vergänglich ist?

Denn bei mir hört die Eigenmacht des Menschen auf.

Überleitung

Wie kann denn Inanna die Negativität integrieren? Dies wird die Fortsetzung zeigen. An dieser Stelle so viel: Nur die Liebe kann das Schwierige, Schmerzhafte (er)tragen und ihm sogar einen Sinn geben. Sie sieht, was ist, und nimmt es an, wie es ist[2]. Auf diese Weise bringt sie es ans Licht und ermöglicht Heilung, Versöhnung und Wiederherstellung.
So ist die Liebe des Vaters.
Rund 3000 Jahre später machte Jesus Christus (= “gesalbter Retter”) den Weg in die Unterwelt, um in der Kraft der Liebe das Vaters Heilung zu bringen.
– Doch so lange muss Inanna nicht warten, – dem Vater sei Dank!

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Hilfe für Inanna

Nachweise:

* Originaltext, Übersetzung aus dem Sumerischen ins Englische: S.N. Kramer in WOLKSTEIN, DIANE / KRAMER SAMUEL NOAH. Inanna, Queen of Heaven and Earth. Her Stories and Hymns from Sumer. New York 1983 (Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche durch die Autorin).

[1] Sumerisches Götter-Genogramm, Wolkenstein/Kramer, S. x und xi

[2] «Da nannte sie den Namen des HERRN, der zu ihr geredet hatte: Du bist ein Gott, der mich sieht!» (1Mo 16,13 ): Sarahs Magd, welche Abraham einen Sohn geboren hatte und später vertrieben und buchstäblich in die Wüste geschickt worden war, wandte sich in ihrer Not zu Gott. Er erhörte ihr Gebet und machte sie zur Stammesmutter der Araber.

Anmerkungen zum Titelbild des Beitrages

Die Herrscherin der Unterwelt ist in einer Zisterne dargestellt, denn sie ist auch die Herrin über die tiefen Wassergründe und hat zudem das Wasser des Lebens inne. Die beiden Löwen symbolisieren das Element des Feuers, welches zu Kraft, aber auch zum Zorn und zur aggressiven Macho-Männlichkeit der reiferen Frau gehören, und damit zu den noch nicht integrierten männlichen Anteilen. Der Kopfschmuck besteht aus der Mondsichel, die als liegende Schale das Symbol für den Schwarzmond oder Leermond ist, der Phase der Göttin der Unterwelt. Daraus erhebt sich eine Frauengestalt als Hinweis auf die bevorstehende Wiedergeburt des Mondes und als Zeichen für die Auferstehung der Göttin der Liebe in ihrem jungfräulichen Aspekt.


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