Goldspur

Der Ewigkeit auf der Spur

Die Göttin des Weinstocks und Dumuzis Traum (Inanna 18)

Die Göttin des Weinstocks deutet Dumuzis Traum: alles geht in die Binsen

By on 17. Februar 2024

Dumuzis Traum: alles geht in die Binsen

Die Göttin des Weinstocks sagt den Zerbruch des Hirten voraus:
“Das Butterfass liegt still, keine Milch wird ausgegossen.
Der Krug ist zerschlagen; Dumuzi ist nicht mehr.
die Schafhürde wird ein Spiel der Winde.”

Die Göttin des Weinstocks und Dumuzis Traum (Inanna 18)

Alles geht in die Binsen

Nach einem schrecklichen Albtraum ruft Dumuzi nach seiner kleinen Schwester, Göttin des Weinstocks. Sie soll seinen Traum deuten. Wer ist sie und was ist die Bedeutung des Traums?

Die Geliebte des Hirten, Göttin des Weinstocks

Die Mythologie erzählt wie immer in Bildern. In diesem nächsten Abschnitt erscheinen die komplexen Beziehungs-Zusammenhänge des Hirten in der Form eines Traumes.
Denn nachdem er panikartig in die Wüste geflohen ist, legt er sich verwirrt und verständnislos hin und will nur noch schlafen. Doch seine Ängste verfolgen ihn bis in den Schlaf. Und so fährt er zu Tode erschrocken aus einem Albtraum auf und ruft verzweifelt nach seiner kleinen Schwester. Denn er weiss: Diese kluge und gebildete Frau kann seinen Traum deuten.

Die Göttin des Weinstocks und Dumuzis Traum im Originaltext *

(Die unterstrichenen Wörter werden anschliessend interpretiert und kommentiert.)

Dumuzis Traum

Dumuzi legte sich nieder, um zu ruhen. Doch er träumte und fuhr aus einem Albtraum auf. Zitternd vor Schreck rieb er sich die Augen und rief entsetzt:

Die kleine Schwester, Göttin des Weinstocks

Bringt … bringt sie … bringt meine Schwester.
Bringt meine Geshtinanna her, mein Schwesterchen.
Meine Schreiberin, meine Sängerin,
sie kennt sich aus mit Worten, mit Träumen
Ich muss mit ihr sprechen, ihr meinen Traum erzählen …

Dumuzi erzählte seiner kleinen Schwester den Traum, und diese verstand ihn zu deuten, indem sie sprach:

Die Dämonen des Hirten

Mein Bruder, erzähle mir nicht einen solchen Traum. […]
Die Binsen, die sich rings um dich herum erheben. […]
Das sind deine Dämonen,
die dich verfolgen und angreifen werden.

Mutter und Schwesterchen: geteiltes Leid mit dem Hirten

Das vereinzelt wachsende Rohr, das um dich zittert,
ist deine Mutter; sie wird um dich trauern.
Das Zwillingsrohr, von dem zuerst das eine
und dann das andere ausgerissen wird,
Dumuzi, das sind du und ich;
wir werden dahingerafft werden,
erst der eine, dann die andere.

Der körperliche Trieb als Problem

Der Schrecken des Waldes, der über dich kommt,
Das sind die Galla, die in der Schafhürde
über dich herfallen werden.

Eheprobleme, Probleme in der Sexualität

Wenn das Feuer auf deinem heiligen Herd erlischt,
wird die Schafhürde zum Haus der Verwüstung werden.
Wenn sich der Boden deines Butterfasses löst,
wirst du von den Galla festgelegt werden.
Wie der Becher vom Henkel bricht,
so wirst du zur Erde fallen,
auf die Knie deiner Mutter.

Alles geht in die Binsen

Wenn dein Hirtenstab verschwindet,
werden die Galla alles zum Verwelken bringen.
Der Adler, der ein Lamm aus der Schafhürde schlägt,
ist der Galla, der deine Wange zerkratzen wird.
Der Falke, der den Spatzen im Schilfzaun fängt,
ist der Galla, der hinübersteigt und dich hinwegrafft.

Keine Zukunft für die Aussenbeziehung

Dumuzi, meine Ziegen schleifen ihre Lapis-Bärte durch den Staub.
Meine Haare werden im Himmel für dich herumwirbeln.
Meine Schafe zerkratzen die Erde mit geknickten Füssen.
O Dumuzi, ich werde meine Wangen zerkratzen vor Gram über dich.

Zusammenfassung von Dumuzis Traum: Alles geht in die Binsen

Das Butterfass liegt still, keine Milch wird ausgegossen.
Der Krug ist zerschlagen; Dumuzi ist nicht mehr.
Die Schafhürde wird ein Spiel der Winde.

Dumuzis Traum – kurze Deutung der unterstrichenen Wörter

!Angriff durch Dumuzis Dämonen

  • Ein Traum – Botschaft aus dem Unbewussten: Seine „Dämonen“ melden sich aus dem Schatten mit Existenzangst und Panik (s. Das Bewusstsein und das Unbewusste und Der Stoff, aus dem die Träume sind: das Unbewusste).
  • Binsen – Nichtigkeiten: stachelige, aus dem Wasser wuchernde Pflanzen, die für nichts verwendet werden können. Diese finden im Deutschen noch immer Ausdruck durch die Redewendungen: „In die Binsen gehen“ und „Binsenweisheit“.

Mitleiden von Mutter und Schwesterchen

  • Die kleine Schwester – eine positive Anima-Gestalt: Sie symbolisiert die positive weibliche Seite des Mannes und in diesem Zusammenhang – je weiter sich die Geschichte entwickelt, umso klarer wird es – auch die Geliebte als Anima-Projektionsfläche (s. Die Projektion des Schattens.)
  • Ein Zwillingsrohr – Einheit – männlich und weiblich: “Wir werden dahingerafft werden” (= “Unsere Beziehung darf nicht sein”). Dies wird im weiteren Verlauf der Mythologie immer deutlichere Gestalt annehmen.  

Die Schrecken des Waldes: die Dämonen gehen über den Trieb

  • Die Galla als Schrecken des Waldes: Unbewusstheit: Der Wald ist ein Symbol für das Unbewusste im Bereich des Körpers, für den Trieb (s zum Beispiel auch Schneewittchen und der Jäger).
  • Die Schafhürde – Symbol für den Schoss der Frau (s. u.): Körperliche Vereinigung im Sinn von illegitimen Sex kann ebenfalls ein Einfallstor für Dämonen (Negativität) sein.

 

Eheprobleme, Probleme in der Sexualität

  • Der heilige Herd: Ein Bild für die Einheit (Ganzheit, “Heil-heit”, Heiligkeit) mit der Partnerin zu Hause.
  • Das erlöschende Feuer am heiligen Herd: Verschwinden der körperlichen Leidenschaft aus der Partnerschaft.
  • Boden des Butterfasses löst sich: Butter entsteht durch das regelmässige Stossen der Milch im Fass. Doch wenn der Boden weg ist, leert die Milch aus, welche wiederum ein Bild für die Samenflüssigkeit des Mannes ist, die anderweitig vergossen wird. (Für die Verbindung von Milch mit Samenflüssigkeit s. unten im Klapptext zur Schafhürde als Schoss der Frau, Zitat: “Mein Hirte, lass die Ziegenmilch in die Schafhürde hineinfliessen … Mach deine Milch süss und dick … Ich will deine Milch trinken”). Das kaputte Butterfass ist ein Bild dafür, dass es mit der Ehe schlecht steht und (oder weil) der Hirte fremdgeht.
  • Der Henkel bricht ab, dasselbe Bild: Das Gefäss fällt zu Boden, zerschellt und sein Inhalt leert aus.
  • Der Hirtenstab, ein Phallus-Symbol: Er „verschwindet“ bei Erektionsproblemen mit der Partnerin/Ehefrau.

Alles geht “in die Binsen”

  • Du wirst auf die Knie deiner Mutter fallen: Das Desaster fällt auf die Mutter zurück (die ja möglicherweise ihren Teil an der Beziehungsunfähigkeit des Mannes hat, indem sie ihn verwöhnt hat und so sein Herz für sich genommen hat, s. letzte Episode und Die Befreiung von der Mutter, Materialismus und Konsum.)
  • Alles wird verwelken: Wenn da keine Nähe mehr in der Beziehung ist, wird die Frau „vertrocknen“, dürr und kratzbürstig werden (“Dornen wachsen lassen”, s. Der Fluch über Adam und Eva: zerrüttete Beziehungen und Dornröschens Dornenhecke).
  • Der Adler, Raubvogel der Luft: durchaus die aggressiv-männliche Seite der Frau im Griff des Gottes der Luft
  • Der Adler schlägt ein Lamm aus der Schafhürde/die zerkratzte Wange: Gewalt statt Zärtlichkeit seitens der Gattin.
  • Schilfzaun – ein undichter Sichtschutz.
  • Der Falke fängt den Spatz im Schilfzaun: Die männliche Seele (Luft) noch klein und schutzlos wie ein Spatz, wird durch den Raubvogel dahingerafft (bevor sie überhaupt wachsen konnte).

Keine Zukunft für die Aussenbeziehung

  • Ziegen sind eigenwilliger als Schafe, und auch die weiblichen Tiere haben Hörner (als Symbol für die Frau, die sich nicht alles gefallen lässt, s. auch Der Stier als weibliches Symbol). Sie, Geshtinanna-Kerstin ist eine starke, eigenständige Frau.
  • Lapisbärte der Ziegen – Lapis: Der blaue Stein steht für die steinharte Stärke der weiblichen Seele, die weiss, was sie will. (So werden in Episode 8 die ME, die Inanna errungen hat, am Lapis-Kai vor ihrem Heiligtum ausgeladen und trägt Inanna in Episode 12 eine Lapiskette um den Hals). Der Bart hingegen ist ein männliches Attribut. Gemeinsam stehen darum Lapis und Bärte für männlich-starke Weiblichkeit (Weiblichkeit, die ihre männlichen Anteile integriert hat!).
  • Ihre Haare wirbeln: Auch sie wird „Haare lassen“ müssen. Langes Haar ist ein Symbol für geistige Kraft (so zum Beispiel die biblische Geschichte von Simson).
  • Schafe kratzen die Erde mit geknickte Füssen: Es ist ein Bild des Elends! Die Füsse symbolisieren in den Überlieferungen häufig die Geschlechtsorgane (z. B. in “König Oedipus” = “Schwellfuss”).

Zusammenfassung von Dumuzis Traum (nochmals): Alles geht in die Binsen!

  • Butterfass, Milch, Krug: Die nährende Einheit der ehelichen Verbindung ist zerstört.
  • Schafhürde ein Spiel der Winde: Der Wind (Gott der Luft) als Symbol für unreife Männlichkeit, welcher die “heilige” Ehe zum Opfer gefallen ist (einerseits durch den Seitensprung als Ausdruck des Triebes, andererseits durch den Zorn der Partnerin im Griff ihrer negativen Macho-Männlichkeit). Der Wind war bereits am Anfang der sumerischen Mythologie die Ursache dafür, dass der junge Baum des Lebens entwurzelt wurde und ins Wasser fiel (Symbol für Unbewusstheit, s. Der Vater und der Gott der Luft, Prolog II).
Die Schafhürde als Symbol für den Schoss der Frau

Der Schoss der Frau als Schafhürde

Das Wort für das Gehege der Schafe ist im Sumerischen identisch mit dem Wort für Mutterleib, Lenden, Vulva, Schoss. (So Diane Wolkenstein in WOLKSTEIN, DIANE / KRAMER SAMUEL NOAH. Inanna, Queen of Heaven and Earth. Her Stories and Hymns from Sumer. New York 1983, S. 146.)

Im Originaltext heisst es nach Inannas Initiation (erstem Geschlechtsverkehr) mit Gilgamesh-Dumuzi (Inanna – Königin der Erde (Episode 4):

Inanna setzte sich die Shugurra die Krone der Steppe, auf ihr Haupt.
[Als Zeichen dafür, dass sie eine initiierte Frau ist],

Sie wandte sich zur Schafhürde, hin zum Hirten der Schafe.
Sie lehnte sich an den Apfelbaum. [Der Apfel als die Frucht der Göttin der Liebe.]

Dass diese Aussage einen klaren sexuellen Aspekt beinhaltet, belegen auch die folgenden Zeilen des sumerisch-babylonischen Originaltextes:

Als sie sich an den Apfelbaum lehnte,
war ihre Vulva wunderschön anzusehen.
Die junge Frau Inanna jauchzte über ihre wundervolle Vulva
und beglückwünschte sich selbst zu ihrer Schönheit.

Und aus den Hochzeitsgesängen von Inanna und Dumuzi, dem Hirten (Episode 10):

Mach deine Milch süss und dick, mein Bräutigam.
Mein Hirte, ich will deine frische Milch trinken.
Wilder Stier, Dumuzi, mach deine Milch süss und dick.
Lass die Ziegenmilch in die Schafhürde hineinfliessen.

Rabe als Bote des Unbewussten

Die kleine Schwester und Göttin des Weinstocks

Geshtinanna ist ein schwieriger Name, denn er ist ebenfalls, wie die anderen Namen der sumerischen Mythologie eine symbolische Bezeichnung (welche auch den Namen “Inanna” enthält; s. Klapptext unten). Sie wird in der modernen Geschichte “Kerstin” genannt.

Wer ist Geshtinanna? Die Seelen-Schwester

Geshtinanna ist eine kluge Frau, welche das Innerste des Hirten besser versteht als er selbst. – Doch ist sie wirklich nur seine kleine Schwester? Dies besagt zunächst, dass sie eine jüngere Frau ist (nämlich jünger als der Hirte und auch als seine Gattin, die eher als seine “grosse Schwester” auftritt. S. auch Mirjam und Zippora in Der Weg von Ägypten durch die Wüste.). Das passende Wort für sie ist: Seelen-Schwester. Und damit rückt auch eine Liebesbeziehung in greifbare Nähe. Dies wird im Urtext denn durch die Symbole angedeutet, insbesondere durch die Schafhürde, die den Schoss der Frau symbolisiert (s. Klapptext oben): Das Thema ist also sehr wohl auch körperliche Nähe (wie sich im Folgenden zeigen wird)!

Warum kleine Schwester?Gemeinsam durch dick und dünn

Die kleine Schwester ist ein Bild für quirlige Lebensfreude, die auch in der Leichtigkeit der Gemeinschaft zum Ausdruck kommt. Mit ihr kann man “Pferde stehlen”. Sie bewundert ihren grossen Bruder, ist aber dennoch mit ihm auf Augenhöhe. Dieses positive Bild von Weiblichkeit ist ein Archetyp für die positive Anima, für die Seele des Mannes (wie auch der Frau).

[S. Partnerschaft und die menschliche Gleichung.]

Und warum Geliebte?Die Projektion der Anima

Der Mann, der seine weiblichen Persönlichkeitsanteile zunächst einmal in einer anderen Frau erkannt, verliebt sich häufig in sie. Denn er sieht in ihr sich selbst (also seine weibliche Seite) und dies fühlt sich für ihn so vertraut und “richtig”, ja magisch an.

In diesem Textabschnitt – und mehr noch im nächsten – wird klar, dass die Geliebte mehr ist als nur ein „geistiger Aspekt“. Ja, sie ist Fleisch und Blut und hängt mit ihrer Seele wie auch mit ihrem Körper mit drin. Denn sie leidet ebenfalls und muss dann zudem noch – als starke Seele – sogar die Führung des Geschehens übernehmen.

Warum Göttin des Weinstocks?Die Läuterung der Seele: Wasser zu Wein

Wasser wird zu Traubensaft, und Traubensaft vergärt im dunklen Fass, in der “dunklen Nacht der Seele” zu Wein. Dieser Prozess beschreibt die Läuterung der Seele, welche zugleich auch die Befreiung vom negativen emotionalen Trieb hin zu Lebensfreude (Wein!) bedeutet.

[S. Brot und Wein, Symbole der Läuterung.]

Geshtinanna, Schreiberin, Sängerin – eine spirituelle, gebildete Frau

Die kleine Schwester als Prophetin

Geshtinanna ist eine Künstlerin und eine Prophetin. Denn sie kann singen, schreiben und Träume deuten, sie hat mit anderen Worten Zugang zum Geist wie auch zum Unbewussten.
Möglicherweise dient Encheduanna, Sargons Tochter (um ca. 2300 v. Chr.), als Vorbild für Geschtinanna. Denn niedergeschrieben wurde die sumerische Mythologie ja erst in Babylon (ca. 1850 v. Chr.; s. Von Sumer bis Babylon – geschichtliche Hintergründe). Ebenso scheint das spätere Gilgamesh-Epos (entstanden ungefähr zwischen 1500 und 1200 v. Chr.) Sargon von Akkad im Visier zu haben (um ca. 2300 v. Chr.) als eine Verherrlichung dieses ersten Weltherrschers. Encheduanna (von Enkidu-Inanna) war seine Schreiberin und auch eine Dichterin die viele Hymnen an Göttin Inanna schrieb.

Geshtinanna für die Göttin des Weinstocks und die Schenkin

Als Göttin des Weinstocks hat Geshtinanna den Weg durch die Unterwelt gemacht und stellt damit auch den dritten Aspekt der Göttin der Liebe dar (als Grosse Mutter). Im babylonischen Gilgamesh-Epos ist es denn auch eine Schenkin, welcher der König sein Vertrauen schenkt.

Spekulationen über die Bedeutung des Namens

Der Name der Göttin des Weinstocks enthält die Silben “Gesh” und den Namen Inanna. “Gesh” für Wein und “Mesh” für Brot? – Dies als Spekulation über eine Bedeutung, die hier Sinn machen würde.

Genauer:
Gilgamesh für Ki-Gal-Mesh: Der von der Erde (Ki) in die Unterwelt (Gal) zum Brot des Lebens (Mesh? in Hingabe für andere, als Diener). (Die Silbe Mesh kann möglicherweise auch als Umkehrung von Schah – Herrscher zu Mash – Diener gesehen werden, eine Deutung im Zusammenhang mit dem babylonischen Himmelsstier Schamash, der für den Animus steht.)

Und Inanna: die Götttin (Nin), die vom Himmel (An) hinabstieg (bis in die Unterwelt), um zu Wein (“Wasser des Lebens”) zu werden

[S. auch Die sumerische Sprache und ihre Entwicklung.]

Zwillingsrohr (Dumuzis Traum)

“Zwillingsrohr – Zwillingsblume”

Die Partnerschaft und die ganze Existenz des Königs

Dumuzi-Gilgamesh, der Gärtner, und die Königstochter-Priesterin als seine Göttin

Aufstieg zum König dank der Göttin der Liebe 

Während Gilgamesh-Isimud-Dumuzi ja ein Hirte war, nämlich ein Sohn des EnKi (des Gottes der Erde), so ist seine Frau als “Göttin” möglicherweise die Königstochter und auch die Hohepriesterin der Göttin der Liebe (s. Episode 3: Inanna und Gilgamesh).
Ebenso schrieb der erste Weltherrscher Sargon in seiner Sargon-Legende über sich selber, dass er durch die Gunst der Göttin der Liebe zum König emporsteigen konnte. Diese Legende diente wohl als Vorbild für das spätere babylonische Gilgamesh-Epos (Einführung). In diesem fällt die Bemerkung, dass der erste Geliebte der Göttin der Gärtner war (s. Die Göttin als Hure). Von seiner eigenen Herkunft schreibt Sargon zudem, er selbst sei der Sohn einer Priesterin und eines Wilden aus den Bergen gewesen.

Probleme in Partnerschaft und Sexualität

Die Partnerschaft leidet, wenn Hingabe und Potenz in Interaktion mit der Partnerin abnehmen, bildhaft gesprochen, wenn «das Feuer im Herd erlischt». Im späteren Gilgamesh-Epos wird dies durch den Tod des Enkidu, seines “besten Freundes” dargestellt, den die Götter zur Strafe sterben lassen. (Enkidu = Sohn des Enki und damit ein Bild für den Trieb.) 

Mit anderen Worten ist dem Schwinden der Leidenschaft die eheliche Gemeinschaft existenziell bedroht. – Und so scheint hier gewiss zu sein: Wenn sie, die Hohe, ihn aus dem Palast jagt, ist er gar nichts mehr. Dies zum Thema starke Weiblichkeit in Sumer.

Die Aussenbeziehung ohne Zukunft und die Göttin des Weinstocks

Der Verlust der eigenen Identität ist in diesem Fall ein zu hoher Preis für die Aussenbeziehung, die somit keine Zukunft hat, wie die Geliebte des Hirten traurig feststellt. So läuft es darauf hinaus, dass sie ihren Geliebten zu seiner Frau zurückschicken muss. Denn die Liebe zu ihm gebietet ihr dies. (So zum Beispiel auch in der griechischen späteren Odyssee, in welcher zuletzt die Nymphe Calypso auf Anordnung des Zeus den Odysseus zu seiner Frau nach Hause schickt, ja ihm sogar hilft, zu diesem Zweck ein Boot zu bauen.)

Fazit: Die Göttin des Weinstocks: Hingabe, Schmerz und Läuterung der Seele

Die Göttin des Weinstocks macht dem Hirten klar: Wenn es ihm nicht gelingt, die körperliche Leidenschaft in seiner Partnerschaft aufrechtzuerhalten, wird er alles verlieren, was er hat und ist. Der Preis für die Wiederherstellung seiner Ehe wird jedoch seine zarte Liebesbeziehung zu seiner “Schwester-Geliebten”, seiner “Seelenverwandten”, sein. So wird der Schmerz darüber zum Weg der Läuterung für beide, zur Reifung der Seelen hin zu echter Liebesfähigkeit.
Sie macht es ihm vor.

Nach diesen Ausführungen nun zur modernen Geschichte. Die Geliebte heisst darin Kerstin.

Die Göttin des Weinstocks und Dumuzis Traum anders erzählt

Kerstin erzählt:

Die kleine Schwester-Geliebte

Ach, in was bin ich da hineingeraten …! Thomas …
Wir lernten uns auf einer Geschäftsreise kennen. Er war alleine. Ich war auch alleine. Wir kamen ins Gespräch und er liess irgendwann durchblicken, dass es mit seiner Ehe nicht zum Besten bestellt sei. Ich gebe zu, ich wollte es gar nicht so genau wissen. Thomas gefiel mir auf Anhieb. Da war sofort diese starke Anziehung zwischen uns, die Magie. Schnell entwickelte sich unsere Bekanntschaft zu einer stürmischen Beziehung. Immer wieder sagte er, er hätte noch nie für einen Menschen empfunden, was er für mich empfindet. Und so war es denn: Sein Hunger, seine Bedürftigkeit, berührten mein Herz. Unsere Beziehung ging auch weiter, als wir wieder zu Hause waren. Wir trafen uns jeweils im Bootshaus seines Freundes Andy.

Angriff durch die Dämonen des Hirten: Probleme in der Partnerschaft

Heute kam Thomas zu mir, vollkommen aufgelöst:
– Ich musste Dich sehen! Bitte hilf mir!!!

Er erzählte mir, dass seine Frau Anna ihm eine Szene gemacht hatte. Dass sie sich viel stritten, wusste ich, aber diesmal schien es ihn wirklich getroffen zu haben.
– Weiss sie … – von uns?, wollte ich wissen.
– Nicht direkt … Aber sie ahnt wohl etwas, meinte er zögernd.
– Wie das?

Der körperliche Trieb als Problem

Nur zögernd rückte er mit der Sprache heraus:
– Na ja, ich denke, es hat vor allem mit dem Sex zu tun. Weißt du, seit ich mit dir zusammen bin, möchte ich nichts anderes …! Ich kann nicht … mit ihr …!

– Ich dachte, mit eurer Ehe sei es ohnehin nicht zum Besten bestellt?, sagte ich reichlich erstaunt.
– Stimmt schon, das war auch so … Aber seit ich dich kenne, habe ich mich wohl entspannt und kann auch wieder liebevoller mit Anna umgehen. Das hat wohl bei ihr etwas verändert …. So sind wohl … Ansprüche erwacht …

Die Göttin des Weinstocks

Mir wurde kurz schwarz vor den Augen. ‚Alles klar …’ dachte ich und meine Gedanken überstürzten sich: ‚Natürlich hat er mir nur die Schattenseite erzählt, wie sehr der Haussegen schief hängt – Männer …!’ Gedanken stürmten auf mich ein wie: ‚Selber schuld …!’. Und: ,Wenn du dich mit einem verheirateten Mann einlässt … Logisch hat er dir erzählt, was du hören wolltest … und logisch hast du gehört, was du hören wolltest! – Aber jetzt scheint ihm die Sache doch plötzlich zu heiss!’.
Das alles traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Aber ich nahm mich zusammen und sagte schliesslich nach einer Weile langsam und mit Bedacht:
– Ich denke, wenn dir etwas an deiner Ehe liegt, musst du weiterhin mit deiner Frau schlafen. Denn sonst wird sie noch mehr Verdacht schöpfen und dann ist die Gefahr gross, dass du alles verlierst …!“

Thomas hatte seine Stirn in Falten gelegt, als er mich anblickte:
– Aber du …? Wir zwei …? Du und ich …??

 Zurück zur Mutter-Partnerin!

– Es steht zu viel auf dem Spiel!, entgegnete ich und fügte hinzu: Wenn du deine Ehe retten willst, ist es besser, wenn wir unsere Beziehung beenden!. Dabei war ich selber erstaunt, wie fest meine Stimme klang, während doch mein Herz sich zusammenkrampfte. Und so fuhr ich fort:
– Deine Familie, deine Karriere, dein Ruf, einfach alles steht auf dem Spiel … Komm schon, es würde auch das Herz deiner Mutter brechen, die dir doch viel bedeutet …

Er schüttelte ratlos den Kopf und sagte kaum hörbar:
– Aber … Kerstin … Kerstin, ich liebe dich so!

Bei diesen Worten spürte ich einen Stich in meinem Herzen. Doch Thomas sah so verstört aus, dass ich nicht anders konnte, als ihn zärtlich anzulächeln:
– Ich weiss … Ist schon gut … Dabei strich ich fein über seine Wange und sagte leise: Ich komme schon klar …

Eine Aussenbeziehung ohne Zukunft

Und etwas fester fuhr ich fort:
– Ich liebe Dich auch, und darum will ich dein Bestes. Ich will und kann dein Leben und alles, was du dir aufgebaut hast, ja, alles, wofür du dich eingesetzt hast, unmöglich zerstören!

Er blickte aus seiner vornübergebeugten Haltung zu mir hoch, und Hochachtung stand in seinen Augen, als er sagte:
– Kerstin! Du bist eine starke Frau, eine sehr starke Frau! Dabei schwang ehrliche Bewunderung in seiner Stimme mit.

Er zögerte einen Augenblick, als ob er aufhorchte. In mir flackerte Hoffnung auf. Würde er sich vielleicht doch für mich entscheiden? – Aber das konnte ich nicht von ihm verlangen, daran durfte ich nicht einmal denken, jetzt nicht mehr!

Ich regte mich nicht, wartete, hoffte … Doch dann fiel er wieder in sich zusammen, schüttelte leicht den Kopf und verliess meine Wohnung wie ein geschlagener Hund.

Originaltext:

Übersetzung aus dem Sumerischen ins Englische: S.N. Kramer in WOLKSTEIN, DIANE / KRAMER SAMUEL NOAH. Inanna, Queen of Heaven and Earth. Her Stories and Hymns from Sumer. New York 1983 (Übersetzung aus dem Englischen ins Deutsche durch die Autorin).


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