Die Galla und der Götter-Gatte – Anna erzählt weiter:
Gezeichnet durch die Unterwelt (die Dämonen der Unterwelt)
Mein Schmerz hatte mich wachgerüttelt. Eines war mir klar: Ich wollte nicht mehr so weitermachen wie bisher. Ich wollte endlich mein eigenes Leben leben und mich nicht mehr daran hindern lassen, nicht immer meine eigenen Bedürfnisse hintenanstellen und dabei auch noch leer ausgehen. Ich hatte genug! Bei diesem Gedanken spürte ich eine Kraft, die mir Auftrieb gab. Nichts würde mich hindern können! Wenn nötig, würde ich meiner Wut freien Lauf lassen.
Freundin und Kinder verschont
Nicht Nina gegenüber, versteht sich. Sie hatte mich immer verstanden und mir Mut gemacht. Auch meine Kinder brachten mir Respekt entgegen, als ob sie etwas spürten. Das sogar, ohne dass ich ihnen etwas sagte, geschweige denn ihnen mein Herz ausschüttete.
Der selbstherrliche und ungerührte Gatte
Aber Thomas … Je länger, je mehr war er in unserer Beziehung einfach nicht mehr präsent. Sass vor dem Fernseher, trank sein Bier und signalisierte, dass er nichts als seine Ruhe wollte.
Darum erschien mir eine Auseinandersetzung mit Thomas unvermeidlich.
Als ich ihn wie immer vor irgendeiner Sportsendung fand, baute ich mich gereizt vor ihm auf.
Kein Erbarmen des Gatten bei Inannas Aufstieg und elendem Zustand
Er blickte irritiert hoch, mit erhobenen Augenbrauen:
– Was ist los? Ist etwas nicht in Ordnung?
Inanna im Zorn der grossen Mutter
– Nichts ist in Ordnung!, fuhr ich ihn an. Ich holte tief Luft und versuchte ruhig zu bleiben, als ich sagte: Wenn du mal zu Hause bist, hockst du immer nur vor der Glotze und ziehst dir irgendwelchen Schrott rein! Du bist einfach nicht da, du bist nicht da für mich, du bist nicht drin in unserer Beziehung … Du bist irgendwo anders. Ich weiss nicht wo … Ich weiss nicht, warum du immer nur Zerstreuung suchst … Und ich bin für dich Luft!
Er wandte tatsächlich seinen Kopf zu mir und sagte mit leicht gereiztem Unterton:
– Oh du meine Güte, was ist dir denn heute über die Leber gekrochen, dass dir die Galle so hochkommt …?!
– Tatsächlich!, antwortete ich nun eiskalt: Wenn ich dich so anschaue, kommt mir das Kotzen!
Dumuzis Verwandlung in eine Schlange
Nun verengten sich seine Augen und er sagte latent aggressiv:
– Was soll denn plötzliche dieser Aufstand? Was ist los??? Ich darf doch in Ruhe meine Sportsendung anschauen.
Der Hirte wird geschlagen
– Du kannst sie dir anschauen und daran verrecken, von mir aus, aber OHNE MICH! Und nicht hier!, schnauzte ich ihn an. Ich zog das Kabel aus der Steckdose: Ich will nämlich hier meine Ruhe und meinen Frieden haben!
– Hee …. Was soll das?!? Er blickte mich fassungslos an.
Voll Zorn hielt ich seinem Blick stand.
Dumuzis Flucht vor seinen Dämonen
Da kollabierte er:
– Schon gut … Schon gut, beruhige dich! Komm schon, hattest du heute einen strengen Tag?
Nun hatte er seine Stirn in dicke Falten gelegt und seinen treuherzigen Bernhardiner-Hund-Blick aufgesetzt. Dabei sah er jedoch keineswegs aus, als ob er auch nur ansatzweise irgendetwas verstehe, und sein angestrengt mitleidiger Hundeblick machte mich nur noch wütender.
Mein innerer Dampfkochtopf drohte schon wieder zu überlaufen, und ich sagte mir: ‘Mach es kurz, der kapiert sowieso nichts!’.
– Es ist nicht so schwierig, sagte ich trocken und fuhr fort: Es ist ganz einfach: Ich bin nicht zufrieden mit unserer Beziehung! – Oder anders formuliert: Wir haben gar keine Beziehung!
Ich spürte mehr Energie in mir hochsteigen und fuhr heftiger fort:
– Und überhaupt: Ich habe genug davon, immer für alle zu schauen und dabei leer auszugehen! Du bist das Kuckucksjunge im Nest deiner Kinder!
Kein Erbarmen des Gatten für Inannas Aufstieg und elenden Zustand
Er stand auf, ging zum Kühlschrank und holte ein Bier. Mit einen tiefen Seufzer sagte er:
– Ich weiss, das gefällt dir jetzt nicht, aber … Vielleicht solltest du mal deine Hormone checken lassen …?
– Das ist nicht das Problem!, fauchte ich.
Ich hatte keine Lust, weiter auf diese Provokation einzugehen, sondern konfrontierte ich direkt:
– Hast du eine andere??? Das würde alles erklären!
Flucht in Gestalt einer Schlange: Dumuzis Lüge
Nun geriet er sichtbar ins Rotieren und seine kühle Gelassenheit war verschwunden. Er sank in seinen Sessel:
– Neiin … gewiss nicht …! – Wie kommst du den darauf???“
Ich war selber überrascht über meine Frage. Doch noch mehr erschrak ich jetzt über seine Antwort. Das klang nicht überzeugend, … gar nicht überzeugend. Ich kniff meine Augen zusammen und fixierte ihn, beobachtete, wie er buchstäblich in sich zusammenfiel und schliesslich eine beschwichtigende Geste machte:
– Ok … OK! – Sorry!!! Ich hatte eine anstrengende Woche …! Tut mir leid, wenn ich manchmal etwas abwesend und unsensibel bin … Tut mir leid, wenn es dir nicht gut geht … Ich kann auch nicht überall sein … Jetzt ist wieder Wochenende, dann haben wir etwas mehr Zeit für einander …
Er stellte sein Bier ab, erhob sich und machte eine zaghafte Bewegung auf mich zu:
– Wir wollen es uns doch gut gehen lassen – nicht wahr? – Nur wir zwei … Komm schon!
– Ich weiss nicht, Thomas, ob ich mich diesmal wieder vertrösten lasse … Ich weiss nicht, ob wir es noch schaffe, ob ich es mit dir noch schaffe …
Dumuzis Flehen um Gnade
Sein Ton bekam nun eine bettelnde, fast winselnde Note, als er sagte:
– Nicht doch! Du bist meine Einzige, meine Perle! Das weißt du doch! Ich bin manchmal so ein unsensibler Trottel. Aber ohne Dich gibt es für mich kein Leben. Tut mir leid, dass ich dich in letzter Zeit so vernachlässigt habe … Gott, bin ich manchmal so ein grober Holzklotz! Lass es mich wieder gut machen …. Was kann ich tun, damit es dir wieder besser geht, sag es mir!
Schon tat er mir wieder ein wenig leid und ich spürte, wie ich innerlich weich wurde. Ich wollte ihm doch glauben, ihm vertrauen, dass er die Wahrheit sagte …