Das grosse Weibliche in der Unterwelt
Die Erschaffung der Welt aus der getöteten Mutter
Doch nun erzählen bereits die ersten Überlieferungen, dass das grosse Weibliche in die Unterwelt geraten ist. In der sumerischen Schöpfungsgeschichte wird erwähnt, dass die Göttin des Himmels («Jungfrau«) zur «Herrscherin der Unterwelt» wurde. Babylon hat daraus einen männlichen Siegermythos gemacht, in welchem der höchste Gott die Jungfrau des Lebens, die zum zornigen Drachen der Meere geworden war, ermordete, zerstückelte und aus ihr die Welt schuf, so wie sie noch heute ist. (S. Marduk und die Erschaffung der Welt aus der ermordeten Mutter).
Von der Göttin des Himmels zur Herrin der Unterwelt
So wurde die Grosse Mutter zur Herrscherin der Unterwelt, zur Herrin über Leben und Tod, Lebenskraft in der Materie, zu Naturgewalten und zur Schicksalsgottheit, die über Recht und Unrecht entscheidet und jedem Menschen gibt, was er verdient.
Die Unterwelt und das Reich der Toten
Die Unterwelt symbolisiert auch das Reich der Schatten und des Todes. Die sumerische Überlieferung erzählt weiter, dass die (Göttin der) Liebe in der Unterwelt (durch Negativität) getötet wurde. Dies entspricht den Erzählungen in Märchen, in denen die «gute Königin» (Liebe, Hingabe) durch die «böse Königin» (Stolz, Macht) ersetzt wird.
Trennung und Verurteilung im Schatten: das Ego
Die tiefere gemeinsame Bedeutung dieser Überlieferungen ist, dass die ursprünglich «unschuldige» Existenz des Menschen, geborgen in der Liebe, von Macht und Negativität (Unbewusstheit) durchsetzt worden ist. Damit ist der Mensch auch in Unfreiheit geraten, denn im Schatten herrscht der dunkle Herrscher, das Ego mittels der Triebe (zu denen auch negative Emotionen gehören) und Verurteilung (in der sumerischen Überlieferung wird diese Energie «die Richter der Unterwelt» genannt).
Dies ist der geistige Tod des Menschen, der doch in Wahrheit dazu berufen ist, selbstwirksam und kreativ im eigenen Leben zu stehen.