Eine existenzielle Verwundung
Mit zunehmendem Alter und Reife wird der weisse Ritter zum schwarzen Ritter. Nun ist er der Erfahrene, der Unbesiegbare, der Senior. Doch gerade er ist auch derjenige, der eine Niederlage, eine Verletzung erfahren wird. Denn diese ist die letzte Prüfung des Helden, seine Feuerprobe. Sie führt den Helden nochmals in eine existenzielle Notlage, in der alles auf dem Spiel steht, wofür er sein Leben lang gekämpft hat.
In den Überlieferungen
So wird zum Beispiel in den Überlieferungen Odysseus nackt an den Strand von Ithaka gespült, nachdem er alle seine Männer und Schiffe verloren hat. In der Eisenhans wird der Held als schwarzer Ritter durch die Soldaten des Königs gejagt, verwundet und gefangen genommen. Und Jesus als Gottesheld wird hingerichtet.
Im «normalen Leben»
Auch im heutigen alltäglichen Leben geht die Feuerprobe an die Substanz, denn das ist ihr Wesen. Meistens ereignet sie sich im Zusammenhang mit der Krise der mittleren Jahre. Dabei kann die existenzielle Verwundung unterschiedliche Gestalt annehmen, zum Beispiel:
- Ein Scheitern (Kündigung, Konkurs, Scheidung),
- Verlust des Rufes oder der Integrität,
- Vermögensverlust oder Konkurs,
- Verlust der sexuellen Potenz,
- Tod einer geliebten Person (Frau oder Tochter),
- Krankheit oder ein Burn-out u.s.w.
Es läuft darauf hinaus, dass jede schmerzhafte Erfahrung ist eine Kränkung für das Ego. Doch indem der Held mit seiner körperlich-materiellen Begrenztheit konfrontiert wird, wächst seine Bereitschaft, sich für die unendliche Dimension des Geistes zu öffnen.
[S. Die heilige Wunde.]