Anna:
Bruder, wer wird mit mir ins Bett gehen?
Udo wollte wissen, woher ich den riesigen Blumenstrauss mit den 50 Rosen hätte. Als ich ihm erzählte, dass ich ihn von Gil bekommen hatte, sagte er:
– Gil … interessant! Neulich traf ich ihn per Zufall. Er scheint sich ziemlich verändert zu haben! Er hat sogar seinen Namen geändert! Statt „Gil“ nennt er sich nun nach seinem zweiten Vornamen, Thomas. Bei unserem Treffen fragte er mich auch nach dir, und seine Augen leuchteten dabei …
– Thomas? Lustig, das bedeutet ja ‚Zwilling’, warf ich ein: das passt doch zu ihm … zwei verschiedene Seiten!
Inannas Wahl: der Hirte oder der Ackerbauer?
Als Udo lächelte, fügte ich etwas zögernd hinzu:
– Ich bin nicht sicher, ob ich ihm trauen kann…. – Und ausserdem gibt es auch andere Männer, die sich sehr für mich interessieren, zum Beispiel Kai. Er überhäuft mich geradezu mit Zuwendungen und will in seiner Zeitung einen Artikel über mein Projekt bringen …
Nun hob Udo die Augenbrauen und meinte nüchtern:
– Ist ja nicht weiter verwunderlich, dass Männer sich für dich interessieren. Du bist jung und attraktiv! Aber in Herzensangelegenheiten sind Geld, Karriere und Status schlechte Ratgeber. Sie mögen dich zwar blenden, aber was wirklich zählt, ist eine gute Beziehung und die Bereitschaft des Mannes, sich hinzugeben.
Der Hirte: Kampf um die Beziehung
Kurz darauf traf ich mich wieder mit Gil – also mit Thomas –, um mich für die Blumen zu bedanken. Dabei stellte ich etwas irritiert fest, dass mein Herz bis zum Hals klopfte. Zudem fühlte ich mich innerlich unsicher. Konnte ich mich diesmal auf ihn verlassen?
Ich wollte seine Hingabe nochmals prüfen, indem ich ehrlich sagte:
– Und wie weiss ich, ob ich dir wieder vertrauen kann? Ich meine, ich will das nie mehr erleben!
Doch Udo hatte recht: Thomas war nicht mehr derselbe. Er antwortete ehrlich und achtsam, ohne mir das Blaue vom Himmel zu versprechen:
– Das kann ich gut verstehen, Anna. Aber es soll jetzt anders werden … Ich will dir alles geben, was ich habe, mein Bestes. Ich will dich lieben, für dich da sein …
Er machte eine Pause, dann holte er tief Luft:
– Anna, willst du mich heiraten?
Mein Herz machte einen Sprung! – Doch zugleich fühlte ich noch immer innere Ambivalenz, darum sagte ich:
– Gil – äh… Thomas! Das kommt jetzt etwas gar überraschend … Ich weiss nicht, ich bin jetzt daran, meine berufliche Zukunft zu planen und will zuerst mit meinem Projekt trittfassen.
– Gewiss! Aber wir können doch unsere Zukunft zusammen aufbauen. Ich denke, wir würden uns gut ergänzen. Ich habe auch Pläne, Pläne für UNS! Lass uns das zusammen durchgehen und besprechen! Ich bin überzeugt, dass dich das interessiert und dass wir beide nur profitieren, wenn wir uns zusammenschliessen.
Der Hirte und der Segen der Mutter
Mir war das alles etwas schnell gegangen und ich fühlte mich plötzlich überfordert mit dem Gedanken, mein ganzes Leben mit Thomas zu teilen. Als ich Mutter davon erzählte, schien sie sich jedoch aufrichtig zu freuen. Sie blickte mich liebevoll an und sagte:
– Mir scheint, du hast dich doch schon entschieden! Wenn da Leidenschaft in der Beziehung ist und Thomas es wirklich ernst meint … – Natürlich werden da auch Herausforderungen sein, wie immer im Leben. Eure Beziehung wird wachsen und sich entwickeln müssen, das gehört dazu! – Doch wenn er bereit ist, sich zu binden … Was zögerst du da noch?
– Aber Mutter, wie war das denn bei dir?, wollte ich wissen: Ich meine, mein Vater hat uns verlassen, bevor ich ihn kennenlernen konnte …
Inannas Vater, Gott der Luft, ein «verkehrter» Sohn (Isimud)
– Ja, das war so, sagte sie nachdenklich und fuhr fort: Mir geschah dasselbe wie dir. Ich liess mich im Zauber des Augenblicks mit diesem Mann ein und wir schliefen miteinander. Der Unterschied zu dir war aber, dass ich dabei schwanger wurde, mit Udo. Dein Vater versuchte zuerst, in die Verantwortung hineinzustehen. Doch als ich kurz nach Udos Geburt gleich wieder schwanger wurde, mit dir, merkte ich, wie eine Kluft zwischen uns entstanden war und weiterwuchs. Er kam immer später nach Hause mit der Begründung, dass er so viel Arbeit habe. Bald darauf winkte ihm ein Karrieresprung, der aber viele Auslandreisen mit sich bringen würde. Weil ich spürte, dass er nicht bereit war, sich zurückbinden zu lassen, liess ich ihn ziehen.
Der Hirte und gute Sohn des wahren Vaters (des Gottes der Erde)
Sie schüttelte etwas traurig den Kopf, dann blickte sie mich an und fuhr fort:
– Aber bei dir scheint das eine andere Situation zu sein. Thomas meint es allem Anschein nach ernst. Zudem bist du gut ausgebildet. Ihr seid jung und stark und könnt gemeinsam etwas aufbauen.
Also begann ich, mich mit Gil und unseren Plänen auseinanderzusetzen. Es war ein spannender Prozess und ich merkte, dass ich mich gut einbringen konnte und er mir viel Wertschätzung entgegenbrachte. Zudem spürte ich, wie es sich stark anfühlte, zu zweit unterwegs zu sein und bekam wirklich Lust, mit ihm gemeinsam die Herausforderungen zu anzupacken. – Und ja, es fühlte sich auch richtig an, unsere Gemeinschaft in einen verbindlichen Rahmen zu stellen. Wir entschlossen zu heiraten.