Dornröschen und die Dornenhecke
Maleficent und die Anima-Obsession des Mannes
Ich hatte mich entschlossen, das Kind zu behalten. Von Stefan hörte ich einfach nichts mehr, was mich unglaublich traurig machte. Schliesslich beschloss ich, dass er meine Liebe nicht verdient hatte. Als ich ihm zufällig mal wieder begegnete, verhielt ich mich darum entsprechend abweisend. Das war’s dann auch. Sicher würde ich nicht hinhalten, um sein Ego aufzubauen!
Erste Bewusstwerdung: die (innere) Tochter, der Fluch und der Prinz (15)
Das Kind kam zur Welt, eine Tochter, und ich gab ihr den Namen Aurora. Dieser Name – Morgenröte – war Ausdruck meiner Hoffnung, dass sich unser Leben in eine gute Richtung entwickeln würde. Zudem sollte es meine Tochter einmal besser haben als ich!
Schutz vor Verletzung
Ich liess Aurora teilweise fremdbetreuen und arbeitete hart für unseren Lebensunterhalt. Die Kleine war wild und fordernd. Und natürlich fragte sie auch nach ihrem Vater. Ich sagte ihr, er sei bei einem Unfall gestorben, kurz nachdem sie gezeugt worden war. Das war keine Lüge. Denn für mich war er gestorben! (Und sie war der «Unfall».)
Aurora wuchs auf und wurde eine schöne junge Frau. Eines Tages erzählte sie mir, dass sie einen jungen Mann kennengelernt habe, Philip. Er sei gleich alt wie sie. Sie hatte Gefühle für ihn. Ich riet ihr, auf Distanz zu bleiben und sich nicht zu schnell mit ihm einzulassen. Zudem wollte ich wissen, wie der Junge hiess und wer seine Eltern waren.
Der Prinz auf dem Weg zum König
Aurora war nun in ihrem 16. Lebensjahr und traf sich immer wieder mit Philipp. Ich war nicht glücklich darüber. Nachdem ich an einem Wochenende geschäftlich verreist war, kam sie zu mir und sagte:
– Du wolltest doch wissen, wer Philips Eltern sind?
– Hm, ja, das will ich wohl.
– Weisst du, Sie sind wirklich sehr nett! Und sie sind auch noch jung und dennoch sehr vermögend. Sie haben ein grosses Haus mit Pool. Ihr Name ist Schlosser, Hannes und Ingrid Schlosser. … Und … Mama?
Die Erfüllung des Fluches
Begegnung mit den Schatten
Ich war tatsächlich in Grübeleien versunken. Schlosser! Stefan hiess Schlosser zum Nachnamen. Nachdem ich seine Adresse von Aurora bekommen hatte, googelte ich und fand: Hannes Stefan Schlosser! Er hatte offenbar nun seinen zweiten Namen vorangestellt.
Es war als durchbohre ein Messer mein Herz. Stefan! Auroras Vater!!! – Und er hatte einen Sohn … Philip, der zu allem Überfluss auch noch mit meiner Tochter befreundet war … Das durfte doch alles nicht wahr sein!
Alle Kraft war aus meinem Körper gewichen, aber ich musste dennoch sogleich mit Aurora sprechen. Sie blickte mich besorgt an und sagte:
– Mutter! Was ist mit dir, du bist ja ganz bleich …
Ich sagte tonlos:
– Es tut mir leid … Da ist etwas, worüber ich schon länger mit dir reden wollte …
– Was denn??
– Du hast einen Vater! … Und er ist offenbar gar nicht so weit weg … Er heisst … Stefan … also Hannes Stefan Schlosser.
Der erfüllte Fluch als Schicksal
Nun war Aurora ebenfalls erbleicht und flüsterte:
– Was sagst du da? – Was hast du mir da verschwiegen?!
Hilflos rang ich nach Worten, aber nun schrie sie aufgebracht:
– Du hast mich also mein ganzes Leben belogen!!
Ich senkte meinen Kopf:
– Es tut mir so leid, es war schwer für mich … Ich wollte den richtigen Augenblick abwarten, deinen 16. Geburtstag, begann ich zaghaft. Aber Aurora unterbrach mich und ihre Stimme überschlug sich beinahe:
– Dann habe ich also mit meinem Bruder geschlafen! Weil ich das nämlich nicht wusste. Wie hätte ich denn wissen können, dass sein Vater auch mein Vater ist!? !
– Was? Meine Stimme versagte, war nur noch ein Hauch, als ich hinzufügte:
– Wann??
– Am Wochenende, als du weg warst!, zischte sie.
Aurora rannte hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Was sollte ich tun? Ich hatte nur ein Gebet: «Gütiger Himmel! Lass sie nicht schwanger sein!».
Krieg! Probleme in Beziehungen
Es gab keinen Zweifel: Ich musste den Stier bei den Hörnern packen und zu Stefan gehen. Zum Glück war er zu Hause.
Er war sehr überrascht, als er dir Türe öffnete:
– Malena!? Was führt dich denn hierher?
Ich konnte mich kaum beherrschen, sagte aber kalt, während es in meinem Inneren brodelte:
– Was mich hierher führt, will ich dir sagen: Es ist der Umstand, dass meine Tochter mit deinem Sohn geschlafen hat! – Du hast doch einen Sohn – oder?
– Philip …? Ach … – Aurora ist deine Tochter?? ?
Das verborgene Geheimnis
Ein breites Grinsen flog über sein Gesicht und er sagte:
– Was für ein Zufall …!
– Da gibts nichts zu grinsen!, fuhr ich ihn an: Sie ist zufälligerweise auch deine Tochter!
– Wie bitte??? Er blickte mich entgeistert an.
– Ist Aurora hier?, wollte ich wissen, ohne weiter darauf einzugehen.
Stefan holte Aurora und Philip. Der junge Mann sah überfordert und völlig hilflos aus, während Auroras Augen vor Weinen rot aufgequollen waren.
Wir waren alle sehr aufgewühlt. Es stellte sich aber dann doch immerhin heraus, dass Philip nicht Stefans leiblicher Sohn war, sondern der Sohn seiner Partnerin Ingrid, aus ihrer früheren Beziehung. Ingrid ihrerseits war nicht anwesend, sondern befand sich zurzeit in einer Klinik – wegen Depressionen, wie ich nebenbei aufschnappte.
Der Sturz der beiden vom Turm
Stefan blickte mich eindringlich an und sagte:
– Warum hast du mir nie erzählt, dass wir eine Tochter haben?
– Du hast dich doch nicht mehr bei mir gemeldet, dich nicht interessiert!, antwortete ich und spürte, wie Blitze aus meinen Augen fuhren, als ich weitersprach:
– Ich wollte nicht dieselben Probleme haben wie deine Frau! Warum ist sie wohl in der Klinik?! Weil du ein rücksichtloser Egomane bist!
Nun unterbrach Aurora mich verzweifelt:
– Mama! Hör auf!!
Der wahren Liebe erster Kuss
Ich fiel in mich zusammen. Obwohl ich mich überwinden musste und der Kloss in meinem Hals immer grösser wurde, fuhr ich stockend fort:
– Ich wollte nicht in einer unglücklichen Beziehung stecken bleiben wie meine Mutter. Aurora ist meine Freude, das Licht meines Lebens! Sie ist alles, was ich habe, alles, wofür ich in all den Jahren gekämpft habe. Sie sollte es einmal besser haben als ich … Und jetzt das …! – Wenn du jetzt nur nicht schwanger bist!
Tränen bahnten ihren Weg und ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Wir alle schwiegen, der einzige Laut im Raum war mein Schluchzen.
Maleficents Flügel befreit: die Kraft der Liebe
Aber dann setzte sich Aurora in Bewegung. Sie kam nahe zu mir heran, legte ihre Arme um mich und sagte:
– Mama! Du bist die beste Mutter, die ich mir überhaupt vorstellen kann. Ich glaube dir, dass es schwer für dich war! – Und du hast mir so viel gegeben, deine ganze Liebe und Fürsorge!! Dir verdanke ich alles, mein Leben mit allem, was dazu gehört!
Ich liebe dich über alles. Sei nicht traurig. Es ist alles gut!
Prinzen krepieren: Kraft und Macht der Frau
Philips Kuss
«Ja, meine geliebte Tochter!», dachte ich, «ich würde für dich durchs Feuer gehen!»
Als ich meinen Blick hob, fiel er auf Philip, der noch immer unbeholfen und tölpelhaft dastand und aussah, als würde er am liebsten im Boden versinken.
Aurora atmete tief durch und meinte schliesslich:
– Ich bin ja so froh, dass Philip nicht mein leiblicher Bruder ist!
– Das bin ich auch!, sagte ich und liess mich von ihrem Lächeln anstecken. Genug für heute. Komm, lass uns nach Hause gehen!
Stefan schlägt hart auf
Stefan begleitete uns zur Tür
– Sehen wir uns wieder?, fragte er und blickte mich unsicher an.
– Wenn sich ein Grund dazu ergeben sollte, erwiderte ich kühl. Dann drehte ich mich um und wir gingen.
Aurora war Gott sei Dank nicht schwanger. Doch ich hatte mir den Kopf darüber zerbrochen, wie diese verworrene Situation aufzulösen sei, denn ich war alles andere als glücklich über Auroras Zuneigung zu Philip. Doch dann ergab sich eine wunderbare Fügung …
Die kranke Königin steht auf zum Zorn
Wenig später, es waren kaum zwei Wochen vergangen, kam Aurora aufgebracht zu mir und sagte:
– Ich muss dir etwas erzählen, es ist ganz schlimm! Ich weiss nicht, was ich tun soll!
Aufgewühlt berichtete sie, dass Ingrid aus der Klinik zurückgekommen sei und sich furchtbar mit Stefan gestritten hatte. Dabei hätte sie ihm vorgeworfen, dass er sie ausgenutzt hätte und ihm gleichzeitig eröffnet, dass sie sich nun von ihm trennen wolle.
Ich muss gestehen, dass dies in meinem Innern ein hämisches Grinsen auslöste. Als ich schwieg, fuhr Aurora verzweifelt fort:
– Aber nicht genug damit! Ingrid verbietet nun Philip, weiter mit mir Kontakt zu haben, weil ich ja Stefans Tochter bin!
In der redlichen Bemühung, empathisch zu sein, fragte ich vorsichtig:
– Und? Wie hat er darauf reagiert?
– Das ist es ja, was mich so fertig macht. Er war durcheinander, verwirrt und schien irgendwie unentschlossen mir gegenüber. Das hat mich so enttäuscht! – Ich frage mich ernsthaft, womit Ingrid ihn gekauft hat. – Ob sie ihm am Ende gedroht hat, ihn zu enterben?
Sieg und der innere Mann (Erfolg: 4)
Mit Drachenkraft gegen Unterdrückung
Offenbar war Ingrid diejenige, die das Geld eingebracht hatte. Sie stammte auch tatsächlich aus einer sehr vermögenden Familie.
Innerlich jubelte ich, denn mein Problem hatte sich von selbst gelöst! Auroras Kontakt zu Philip war unterbunden, ohne dass ich etwas dazu tun musste. Dabei schoss mir auch in den Kopf: «Ich hätte an Ingrids Stelle sein können! – Und ich kann ihren Zorn sogar verstehen. Er ist ein Macho! – Aber Gott sei Dank bin ich frei! Und auch meine geliebte Tochter soll frei sein und frei bleiben, um ihr eigenes Leben einzunehmen und zu gestalten!».
Diaval und männliche Strategie
Fest entschlossen, Aurora aufzubauen, wählte ich meine Worte mit Bedacht und sagte:
– Oh, ich kann deine Enttäuschung gut verstehen. Genau so erging es mir damals mit Stefan, nur mit dem Unterschied, dass ich auch noch schwanger war – mit dir! Nun höre auf meinen Rat, geliebte Tochter: Wenn Philip nicht zu dir stehen kann, dann liegt das wohl daran, dass er ein Muttersöhnchen ist. Wenn das so ist, mach dir nichts draus, und verschwende keinen einzigen Gedanken mehr an ihn. In diesem Fall hat er deine Liebe nicht verdient und du würdest dir nichts als Ärger mit ihm einhandeln.
Aurora, Königin der Moore
– Blicke nach vorn, meine Tochter! Dein Leben liegt vor dir! Lerne deine Lektionen und entwickle dich weiter. Sieh zu, dass du eine solide Ausbildung und einen guten Job bekommst und sei froh, dass du dies in Freiheit tun kannst.
Gewiss: Lebe Beziehungen, liebe wenn du willst, aber binde dich nicht so stark, dass es dich einschränkt. Denn du hast die Chance, ein leichteres Leben zu haben als ich es bis jetzt hatte. Wirf dies nicht leichtfertig hin!
So kam es: Aurora und ich erlebten eine schöne und erfüllte Zeit. Ich wurde in der Firma befördert und erhielt viel Verantwortung. Und Aurora schloss die Schule erfolgreich ab und begann zu studieren.
Und so war alles auf gutem Weg, bis …