Thomas erzählt weiter:
Im dunklen Wald, im Reich des Eisenhans
Ich hatte mich spontan für eine Männer-Auszeit angemeldet. Dabei verbrachten wir eine Woche in der Wildnis. Es tat mir gut, einfach mal im Schoss von Mutter Natur sein. Es war das erste Mal, das ich nur mit Männern zusammen gewesen bin. Karge Natur und die karge Gemeinschaft. Niemandem Rechenschaft schuldig sein, auf sich selber gestellt sein. – Irgendwie fühlt es sich an, als wäre ich bei mir angekommen.
Nun bin ich wieder zurück im Alltag. Anna hat sich nicht mehr gemeldet. Es ist gut so. Ich will zurzeit keine Frauenbeziehung. Zuerst will ich zu mir selber finden.
Eisenhans und der Goldbrunnen
Was mich erstaunt: Plötzlich scheine ich für Frauen attraktiv zu sein. Jetzt, wo ich eigentlich keine Frauenbeziehung suche. – Na ja, ganz wahr ist das genau genommen nicht. Um ehrlich zu sein: Ich bin Lilo begegnet. Sie fiel mir gleich auf, sie ist neu in unserer Firma. Sie gefällt mir gut. Aber da ist noch mehr: Sie hat einfach etwas … Sie ist etwas Besonderes. Ich weiss nicht, warum, aber ich habe Schmetterlinge im Bauch, wenn ich sie sehe. Es ist Magie.
Der vergoldete Finger
Nun ist es doch geschehen … mit Lilo. Neulich anlässlich eines Firmenanlasses.
Wir hatten reichlich getrunken. Ich brachte sie nach Hause, weil ihre Wohnung ohnehin auf meinem Heimweg liegt. Sie bat mich, schnell hochzukommen, um ihr zu helfen ein Möbel umzustellen, das für sie alleine zu schwer ist. Dann war ich drin in ihrer stilvollen Wohnung. Unter uns leuchteten die Lichter der Stadt und vor mir leuchteten ihre Augen wie Sterne. Es war so romantisch – und prompt… landeten wir zusammen im Bett.
Ja es war schön. Aber ich wollte das nicht! Ich wollte einfach im Licht ihrer magischen Ausstrahlung sein und die Lebenskraft geniessen, die von ihr ausgeht!
Das wäre genug gewesen, zumindest für den Augenblick. Jetzt fühle ich mich schlecht. Ich bin nicht bereit für eine Beziehung. – Aber Lilo ist nicht eine Frau für eine Nacht. Ach! Was soll ich jetzt bloss tun? ??
Das vergoldete Haupthaar
Ich habe mich verstrickt, bin tiefer hineingeraten, als mir lieb ist. Immer wieder denke ich an Lilo. Zudem kann ich Begegnungen bei der Arbeit nicht vermeiden. Es ist verrückt, aber ich fühle mich einfach stark zu ihr hingezogen! – Dabei ich habe doch eben erst meine Freiheit errungen! – Ich muss mit ihr sprechen und versuchen, es ihr zu erklären – je schneller, umso besser!
Hinaus in die Welt!
So! Jetzt ist es ausgestanden! Gestern ergab es sich, dass wir einen Augenblick alleine waren. Sie wandte sich mir zu und lächelte ihr strahlendes Lächeln, in welchem so viel Wärme liegt:
„Das neulich …“, sagte sie, und ich fühlte, wieder einen Stich in meinem Herzen. Was würde sie sagen? Ob sie sich Hoffnungen auf eine Beziehung machte? Ich blickte sie schweigend an und sie fuhr fort: „Das neulich war eine Sternstunde! Und das wird es bleiben – für und beide, nicht wahr?“ Ich fühlte, dass ich innerlich kollabierte und blickte sie zögernd an. Wieder lächelte sie warm, als sie fortfuhr:
„Geben wir diese Stunde den Sternen zurück! Du musst dich auf den Weg machen, um dein eigenes Leben zu finden!“ Dabei legte sie ihre Hand auf meinen Arm. Ich war sprachlos. Nickte nur und schluckte den Kloss in meinem Hals runter. Schliesslich konnte ich hervorbringen: „Danke! Du sprichst mir aus dem Herzen.“ – „Ich weiss,“ entgegnete sie sanft.
Nach einem kurzen Schweigen gab ich mir einen Ruck und sagte:
„Bei mir stehen in jeder Hinsicht grössere Veränderungen an: Ich werde meine Stelle hier kündigen.“ Sie nickte nur zustimmend, als hätte sie nichts Anderes erwartet. «Wenn es Zeit ist, werden wir uns wieder begegnen», sagte sie nur.