Um 1500 vor Christus – auf zwölf Tafeln
Das Gilgamesh-Epos entstand zwischen 1500 und 1000 v. Chr. Es besteht aus zwölf Tafeln. Diese stammen jedoch aus verschiedenen Zeiten und wurden an verschiedenen Orten mit unterschiedlichen Inhalten gefunden. Entsprechend gibt es ältere und jüngere Versionen. Die Tafeln sind zum Teil unvollständig und einige wurde überschrieben oder neu geschrieben. Dabei fehlen in älteren Versionen auch häufig Zeilen, welche mitunter durch Inhalte aus jüngeren Tafeln ergänzt werden können [1].
Die erste Heldengeschichte
Das Gilgamesh-Epos gilt als die erste schriftlich niedergeschriebene Heldengeschichte der Menschheit. Es handelt von König Gilgamesh, der in seinen jungen Jahren ein grausamer Despot war. Doch nach dem Tod seines besten Freundes Enkidu machte er sich auf, um das ewige Leben zu gewinnen. Dazu wollte er über das Meer fahren, zu seinem Urahn, der die grosse Flut überlebt hatte, um ihn nach dem Geheimnis des Lebens zu fragen.
Interpretation der älteren sumerischen Quellen
Neuerzählung aus der Perspektive des Mannes
Das babylonische Gilgamesh-Epos ist eine Interpretation und Weiterführung der sumerischen Mythologie von Inanna, der sumerische Göttin der Liebe (um 2500 v. Chr. und älter) und erzählt die Geschichte aus der Perspektive des Mannes als Held.
Bei beiden handelt es sich um alte Quellen aus dem Zweistromland (zwischen Euphrat und Tigris). Sie liegen jedoch tausend Jahre und mehr auseinander (s. Von Sumer bis Babylon – Hintergründe).
Offene Verherrlichung der Gewalt und Verehrung des Gottes der Luft
Im Vergleich zur älteren sumerischen Überlieferung gibt das Gilgamesh-Epos jedoch eine neue Stossrichtung vor. Vor allem die jüngeren Versionen verherrlichen Gewalt und die Unterdrückung des Weiblichen, der Frauen, des Volkes und des Landes. So ist denn auch EnLil, der Gott der Luft, der stürmische und eroberungswütige Männlichkeit symbolisiert, in Babylon zum höchsten Gott aufgestiegen.
Unterdrückung starker Weiblichkeit im Gilgamesh-Epos
Gleich zu Beginn des Epos wird Gilgamesh als grausamer Despot beschrieben, der Land und Leute unterjocht. So tötet er im Kampf junge Männer und beansprucht als Herrscher das Recht der ersten Nacht (das heisst die Entjungferung jeder Braut im Reich).
Im weiterem Verlauf des Epos sind zudem starke Frauenfiguren, wie sie noch in der sumerischen Überlieferung zu finden sind, entweder ganz entfernt oderabstrahiert (zum Beispiel als Vulkan), oder zu Monstern mutiert (Chumbaba). Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, beschimpft Gilgamesh die Göttin der Liebe selbst als Hure und zieht so den Zorn der Götter auf sich. [S. Gilgamesh und die Göttin der Liebe als Hure.]
Auflehnung gegen das Schicksal und höhere Ordnungen (MUTTER und VATER)
Im wörtlichen Text des Epos wird Gilgamesh als starker Mann beschrieben, der vor nichts zurückschreckt und damit überall durchkommt. Konkret lehnt er sich so letztlich gegen sein Schicksal auf, indem er sich mit Gewalt nimmt, was er will, und selbst vor dem Heiligsten keinen Respekt hat. Indem er dabei auch höhere Ordnungen und jede Erkenntnis der Wahrheit missachtet und die Umstände durch üble Taten seinem Willen unterwirft, vergewaltigt er bildhaft gesprochen die MUTTER (das Leben selbst) und tötet den VATER (die ewigen Ordnungen).
Grundlage für viele Überlieferungen
Im Gilgamesh-Epos wird auch die grosse Flut erwähnt.
Überhaupt sind viele Themen des Epos in spätere Mythologien und Sagen eingeflossen, zum Beispiel in jüdische Lehren und in griechische Sagen (wie König Ödipus oder auch die Odyssee). Die Parzival-Legende und J.R.R. Tolkiens Trilogie Der Herr der Ringe sind weitere Adaptionen des Epos.