Johan, der Jäger
Das Häuschen im Wald
Bei der nächsten Gelegenheit zog Liliane sich wieder Hose und Wams über und lief zum Stall. Sie sattelte Diamant, ihr schwarzes Pferd, da stand plötzlich der Jäger vor ihr.
– Johan!, sagte sie erfreut. Doch er blickte finster drein.
– Was ist mit dir?, wollte sie wissen. Als er nicht antwortete, sagte sie: Kommst du mit auf einen Ritt?
Schweigend holte er seinen Apfelschimmel. Sie ritten zusammen in den Wald. Auf dem Weg sprachen sie kein Wort. Plötzlich standen sie vor einem Häuschen.
– Oh schau, wie niedlich!! – Was ist das für ein Haus!?! rief Liliana freudig aus.
– Das ist die Jagdhütte, sagte der Jäger tonlos. Er stieg vom Pferd ab. Liliana schwang sich aus dem Sattel, stellte sich vor ihn und blickte ihn besorgt an. Sie legte ihre Hand auf seinen Arm und fragte:
– Johan! – Was ist los???
Der Jäger schwieg weiter.
– Komm, zeig mir die Hütte!, rief Liliana und fügte begeistert hinzu: Die kleinen Fenster mit den karierten Vorhängen… Wie süss!
Ein Angebot
Sie gingen hinein. Wortlos setzt Johan sich auf die Bank beim Tisch. Liliana schaute sich um:
– Hier gefällt es mir!, sagte sie bezaubert: Hier könnte man es sich richtig gemütlich machen!!!
Spontan setzte sie sich neben ihm nieder und sagte:
– Ich will nicht länger im Schloss bleiben. Mutter ist so gemein zu mir! Und ich will nicht in engen Kleidern, die mich nicht atmen lassen, umherstolzieren und jeden Tag meine Haare flechten und stundenlang drapieren…! – Mutter tut mir weh, wenn sie mich kämmt, ich hasse es! Ich will nie so werden wie sie! Ich will frei sein!!!
Dabei streckte sie ihre Arme in die Luft – und liess sie im nächsten Augenblick sinken – um den Hals des Jägers. Leidenschaftlich sagte sie:
– Kann ich nicht hier bleiben – zusammen mit dir???“
Sie lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter.
Seine Stimme klang rau, als er antwortete :
– Du weißt nicht was du sagst!
Er handelt verantwortungsbewusst
Dann gab er sich einen Ruck und stand jäh auf, indem er sagte:
– Ich muss jetzt gehen!
Liliana erschrak und sagte verzweifelt:
– Habe ich etwas Falsches gesagt?
– Nein!, sagte der Jäger: Komm! Wir müssen zurück zum Schloss. Dort werde ich meine Sachen packen. Ich muss weggehen! Ich kann nicht länger im Schloss bleiben!
Liliana erschrak noch mehr:
– Ist es … wegen mir???
– Wegen deiner Mutter…!, sagt er grimmig.
Sie ritten wortlos zurück. Liliana war verwirrt und hatte das diffuse Gefühl, sich daneben benommen zu haben. Beim Stall stiegen sie ab. Er nahm die Zügel ihres Pferdes und sagte:
– Ich nehme Diamant gleich mit…!
Trennung
Dann zögerte er einen Augenblick. Sanft legte er seine Hand an ihr Kinn, und schob es nach oben, so dass seine Augen in ihre blickten:
– Pass auf dich auf, Kleines!, sagte er eindringlich.
Sie schüttelte verständnislos den Kopf. Dann hob sie ihre Hände hinter ihren Nacken und löste ihr Kettchen mit der Taube von Hals. Sie streckte es ihm hin. Er starrte darauf:
– Was soll das???, sagte er erschrocken.
– Nimm es! Ich will es dir geben. Ich habe es von Vater bekommen. Ich bin traurig, dass du gehst. Behalte es! Bitte!!! – Und vergiss mich nicht!
Tränen standen in ihren Augen, als sie die Taube fest in seine Handfläche drückte und seine Hand darum schloss.
Er lächelte sie warm an und versicherte:
– Ich werde dich nicht vergessen.
Dann riss er seinen Blick von ihr los, nahm die beiden Pferde und ging zum Stall.
Herz und Lunge
Liliana rannte hinauf auf ihr Zimmer, schloss die Türe zu und warf sich schluchzend aufs Bett.
Der Jäger hatte seine Sachen gepackt und sein Pferd beladen, als die Königin auftauchte.
– Na?, sagte sie. Wie war es???
Wortlos und ohne sie eines Blickes zu würdigen gab er seinem Pferd die Sporen und ritt fort.
Mit Genugtuung stellte die Königin fest, dass Liliana zerstört war und liess sie auf ihrem Zimmer in Ruhe.