Archetypen als Symbole oder Modelle
Der Verstand wird umgangen und ausgetrickst
Beim Hören und Lesen von Geschichten sickern die bildhaften Botschaften ungehindert am Verstand vorbei. Denn bei Inhalten aus dem simplen Alltag oder Figuren, die in der realen Welt gar nicht vorkommen, wendet sich der Verstand gelangweilt ab: “Mit diesem Bereich kann ich nichts anfangen. Dies ist nicht mein Gebiet”.
C.G. Jung und die Archetypen: allgemeingültige Bilder
Aber es gibt sie eben doch, diese abstrusen Figuren! – Es gibt sie in einem übertragenen Sinn. Sie sind nämlich bildhafte Beschreibungen dessen, was im Unbewussten vorhanden ist, und zeigen so das Unsichtbare, das Geistige auf. Und indem sie geistige Zusammenhänge abbilden, machen sie allgemeingültige Aussagen.
Damit betritt man den Bereich der Götter oder der Archetypen, ein Begriff, der durch C.G. Jung geprägt wurde und das Reich des Magischen, Übernatürlichen oder Übersinnlichen. [1]
[S. Archetypen als geistige Urformen und C.G. Jung.]
Zauberer, Hexen, Meerjungfrauen und Einhörner
So wird in den Überlieferungen zum Beispiel die Manipulation von Menschen durch Zauberer oder Hexen dargestellt. Zwerge symbolisieren das kleine Ich, vielleicht durchaus gutmütig, aber auch sehr materialistisch. Der Drache steht für zornige und rachsüchtige Gier und die Meerjungfrau für den Zauber unbewusster Weiblichkeit (aus dem Wasser als Symbol für das Weibliche und das Unbewusste). Das magische Einhorn, welches mit silbernen Hufen über die Erde donnert, symbolisiert den Körper der jungen Frau, der “Jungfrau” mit seiner Magie.
[S. Der Drachentöter Georg und die Jungfrau; Schneewittchen; Parzival; Das letzte Einhorn; Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien oder auch das Gedicht: Der Fischer von J.W. Goethe u. v. a.]
Körperwissen als Grundlage für die persönliche Entwicklung
Botschaften auf der Ebene des Körpers
Während also der Verstand solche Dinge wie Einhörner, Drachen, Zwerge, Meerjungfrauen, Hexen und Zauberer als Unfug abtut, sickern die bildhaften Botschaften von diesem (und vom Ego!) ungehindert, unerkannt und unzensuriert ins Unbewusste hinab und pflanzen dort ihre tiefgründigen Botschaften ein.
Denn der Körper «versteht» die Bilder und nimmt ihre Weisheit wie Samen auf, welche in die Erde gesät werden. Die Saat keimt auf und wird zu einem “Körperwissen” oder “Weisheit des Körpers”, welche den Menschen zum Licht des Bewusstseins hinwachsen lässt.
[S. Die Sprache der Bilder und der rationale Verstand.]
Märchenhafte Botschaften
So legen die Erzählungen ein Fundament für eine gesunde Entwicklung der Persönlichkeit. Das Kind lernt zum Beispiel früh, dass Treue, Hingabe und Heldenmut, die sogar den Tod nicht fürchten, zum Guten führen (Der Eisenhans). Ein Mädchen versteht mit Schneewittchen, wie destruktiv sich die Eifersucht der Königin-Hexe oder Mutter als Stiefmutter auswirken kann. Und immer wieder kommt in Märchen auch zum Ausdruck, dass Durchhaltevermögen, Bescheidenheit und Fleiss belohnt werden (Frau Holle, Der Eisenhans).